Zu den Anforderungen der anwaltlichen Postausgangskontrolle
Bundesgerichtshof-Urteil zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
In einer aktuellen Entscheidung vom 25. Februar 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem wichtigen Fall zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung (Aktenzeichen VI ZB 36/24) Stellung genommen. Das Gericht entschied, dass eine Partei, die um Wiedereinsetzung bittet, verpflichtet ist, einen konkreten Verfahrensablauf darzulegen und nachzuweisen, der ein Verschulden ihres Rechtsanwalts an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei ausschließt.
Details zur Entscheidung des Gerichts
Im zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts eingelegt und erst nach Ablauf der dazu vorgesehenen Frist die Berufung begründet. Jedoch beantragte sie gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da sie die Frist für die Berufungsbegründung angeblich ohne Verschulden versäumt habe. Ihrer Auffassung nach war dies einem internen Fehler in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten geschuldet, wobei die Frist irrtümlich als erledigt markiert wurde. Das Berufungsgericht wies jedoch den Antrag auf Wiedereinsetzung mit der Begründung zurück, dass die Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten keine angemessene Ausgangskontrolle implementiert hatte, um sicherzustellen, dass fristgebundene Schriftsätze ordnungsgemäß versendet wurden. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung, indem er feststellte, dass die Klägerin nicht hinreichend dargelegt habe, dass ihre Kanzlei über die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen verfügte. Die Pauschale Behauptung, dass die Erledigung der Fristen vor Büroschluss kontrolliert werde, war nicht ausreichend, um das Verschulden des Anwalts auszuschließen.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt: Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierbei hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Hierzu gehört unter anderem die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Schriftsätzen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine beauftragte Bürokraft überprüft wird. Eine wirksame Ausgangskontrolle hat sich dabei auch darüber Gewissheit zu verschaffen, dass die fristwahrende Handlung in einer im Fristenkalender als erledigt vermerkten Sache auch tatsächlich vorgenommen wurde. Deshalb ist die Bürokraft anzuweisen, gegebenenfalls anhand der Akten zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze auch abgesandt worden sind.
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen – wie hier – mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) entsprechen nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Daher hat der Rechtsanwalt in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist. on einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes per beA an das Gericht darf der Rechtsanwalt nicht ausgehen, wenn in der Eingangsbestätigung im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ nicht als Meldetext „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ nicht die Meldung „erfolgreich“ angezeigt wird. Es fällt deshalb in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren.
Gemessen daran hat die Klägerin in ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen worden sind, um eine effektive Ausgangskontrolle zu gewährleisten. Ihr Vortrag zur allabendlichen Kontrolle hat sich auf folgenden – anwaltlich versicherten – Satz beschränkt: „Vor Büroschluss wird von Frau G. noch einmal kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt sind; erst dann wird die Frist gelöscht.“ Es fehlen jegliche Angaben dazu, wie die Kontrolle, „ob alle Fristsachen erledigt“ sind, nach den kanzleiinternen Anweisungen zu erfolgen hat. Insbesondere wird nicht mitgeteilt, ob und wie organisatorisch sichergestellt wird, dass im Fristenkalender als erledigt gekennzeichnete fristgebundene Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden und bei Gericht eingegangen sind.
Relevanz für unsere Leser
Dieses Urteil verdeutlicht die Verantwortung eines Rechtsanwalts, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Fristen im Verfahren einzuhalten. Der BGH liefert damit klare Leitlinien für die Organisation des Kanzleibetriebs. Für Mandanten bedeutet dies, dass die Auswahl des Anwalts und die Kommunikation bezüglich der fristgerechten Bearbeitung ihrer Anliegen von großer Bedeutung sind. Es ist wichtig zu verstehen, dass im Ernstfall das Vertrauen auf die rechtlichen Fähigkeiten des Anwalts nicht ausreicht, um eine Fristversäumnis zu entschuldigen. Daher sollten Mandanten sicherstellen, dass sie einen kompetenten und gut organisierten Rechtsbeistand wählen.
Fazit
Die Entscheidung des BGH erinnert uns daran, dass eine sorgfältige Fristenkontrolle und die entsprechende Büroorganisation von entscheidender Bedeutung sind. Mandanten sollten sich ihrer Rechte und der Zuständigkeit ihrer Anwälte bewusst sein, um im Bedarfsfall auf alle erforderlichen rechtlichen Mittel zurückgreifen zu können.
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