Anwalt muss Emails zu Bürozeiten lesen!
Die Kommunikationswege zwischen Anwalt und Mandant sind in der letzten Zeit deutlich vielschichtiger geworden – neben der Korrespondenz per Email und SMS werden heutzutage auch Gespräche über Videochat geführt, Nachrichten über Smartphone-Messenger ausgetauscht und Daten über Webtransfer übertragen. Mit diesen Neuerungen geht natürlich auch ein erhöhtes Haftungsrisiko einher. Insoweit gilt der Grundsatz, dass der Rechtsanwalt all diejenigen Nachrichten zu beachten hat, zu denen er seinen Mandanten auch Kommunikationsmöglichkeiten eingeräumt hat.
Das Oberlandesgericht Jena hat im Februar 2016 einen Fall entschieden, dem ein Gebührenstreit zwischen Anwalt und Mandant zugrunde lag. Der Mandant hatte dem Rechtsanwalt einen Auftrag für eine gerichtliche Vertretung erteilt. Zur Kommunikation nutzte der Rechtsanwalt wie so viele Vertreter seiner Zunft auch die Emailkorrespondenz. Der Mandant hatte des Nachts eine Email an den Rechtsanwalt gesandt, in der er mitteilte, dass er vorerst die Dienste des Rechtsanwalts für die Vertretung vor Gericht doch nicht in Anspruch nehmen wollte. Bis zu diesem Tage hatte der Rechtsanwalt auch noch keine Tätigkeiten entfaltet und daher auch noch keinen Gebührenanspruch verdient.
Am nächsten Tag sandte der Rechtsanwalt um 8.56 Uhr einen Schriftsatz an das Gericht, in dem er die Vertretung des Mandanten anzeigte.
Das Oberlandesgericht hat entschieden, dass dieses Vorgehen pflichtwidrig gewesen ist. Wenn der Rechtsanwalt die Emailkorrespondenz mit ihm ermöglicht, so hat er zwar nicht des Nachts von den Nachrichten Kenntnis zu nehmen, jedoch zu seinen üblichen Bürozeiten -in diesem Fall nämlich ab 8.00 Uhr. Daher hätte die Email des Mandanten zumindest am nächsten Morgen gelesen werden müssen. Alsdann hätte der Schriftsatz nicht an das Gericht geschickt werden dürfen.
Vorsorglich teilen wir mit, dass es hierzu bislang noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt und die Auffassungen in der Anwaltschaft dazu, wann und wie oft ein Rechtsanwalt seinen Posteingang zu kontrollieren hat, weit auseinander gehen.