Beihilfe zur Erpressung durch Anwaltsschreiben?
Der Rechtsanwalt ist gemäß § 43a BRAO zur Sachlichkeit verpflichtet. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben. Was dies nun im Einzelfall bedeuten mag, kann im Rahmen dieses Beitrages offen bleiben. Jedenfalls ist dem Rechtsanwalt – wie jedem anderen auch – ein Verhalten untersagt, dass einen Straftatbestand verwirklicht.
Dass auch anwaltliche Schreiben strafrechtlich relevant sein können, zeigt ein Beispiel über das das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. im Juni 2015 zu entscheiden hatte. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Mieterin eines Mietobjekts wandte sich an einen Rechtsanwalt mit der Bitte, sie gegen den Vermieter zu vertreten. Die Mandantin hatte vom Vermieter eine fristlose Kündigung erhalten, weil sie mit der Bezahlung der Miete erheblich im Rückstand war. Die Kündigung war offensichtlich berechtigt. Zwischen Mandantin und Rechtsanwalt wurde aber anscheinend besprochen, dass man sich mit allen Mitteln (und hier eben auch unerlaubten) dagegen wehren solle.
Der Rechtsanwalt schrieb den Vermieter an und drängte auf den Abschluss einer Vereinbarung, nach der der Vermieter auf die Bezahlung aller Mietrückstände verzichten solle und der Mandanten EUR 3.400,00 für die Kaution sowie EUR 4.650,00 an Maklerprovision zahlen solle. Für den Fall, dass sich der Vermieter weigere, so kündigte der Rechtsanwalt an, werde die Mieterin die Herausgabe des Mietobjektes verweigern. Dabei wussten Mandantin und Rechtsanwalt, dass das Mietobjekt mittlerweile vom Vermieter veräußert worden war und dieser seine vertragliche Verpflichtung zur Übergabe gegenüber dem Erwerber nicht würde erfüllen können, wenn die Mandantin nicht auszieht.
Der Vermieter ging die Vereinbarung ein und zahlte. Später verklagte er den Rechtsanwalt der Mandantin auf Rückzahlung der Beträge…und zwar mit Erfolg!
Der Rechtsanwalt wurde in erster und zweiter Instanz zur Zahlung an den Vermieter verurteilt. Der Rechtsanwalt hat sich an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Vermieters beteiligt. Das Oberlandesgericht hatte die Mandantin zuvor bereits in einem anderen Verfahren rechtskräftig verurteilt und festgestellt, dass sie den Straftatbestand der Erpressung zum Nachteil des Vermieters gemäß § 253 Abs. 1 StGB erfüllt habe. An dieser strafbaren Handlung hat sich der Rechtsanwalt im Wege der Beihilfe beteiligt. Dem Vermieter steht daher ein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt zu.
Der Rechtsanwalt war seinerzeit aufgrund seiner Tätigkeit als anwaltlicher Vertreter der damaligen Mieterin über sämtliche relevanten Umstände informiert und hatte sie bei den Verhandlungen mit dem Vermieter aktiv umfassend anwaltlich vertreten. Es hätte ihm seiner Mandantin gegenüber frei gestanden, ein Tätigwerden in dem konkreten Umfang zu unterlassen und sich auf die anwaltliche Vertretung im Rahmen des gesetzlich Zulässigen zu beschränken.
Die Mandantin hatte dem Vermieter mit der Ankündigung, das Objekt vorerst nicht zu räumen und herauszugeben, ein empfindliches Übel in Aussicht gestellt. Denn sofern der Vermieter das Objekt nicht zurückerhielt, konnte er es nicht weiter verwerten, insbesondere es nicht an den Erwerber des Objekts übergeben. Infolgedessen würden ihm erhebliche finanzielle Nachteile entstehen, etwa in Gestalt einer Verpflichtung, Schadenersatz zu leisten.
Rechtlich ist festzuhalten: Die Forderung unstreitig nicht geschuldeter Vermögensvorteile als Voraussetzung für die unstreitig geschuldete Räumung und Herausgabe eines Mietobjekts kann eine Erpressung des Vermieters durch den Mieter sowie seine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begründen. Die aufgrund dessen getroffene Vereinbarung über die Gewährung der geforderten Vermögensvorteile kann wegen widerrechtlicher Drohung anfechtbar sein, wenn durch die Ankündigung, das Mietobjekt ansonsten nicht herauszugeben, für den Vermieter eine Zwangslage geschaffen wurde. Das Verfassen des Anwaltsschreibens, in dem die unberechtigte Forderung erhoben wird, kann als Beteiligung des Rechtsanwalts an dieser Handlung und demzufolge zu seiner Mithaftung auf Erstattung der seitens des Mieters erlangten Vermögensvorteile führen.
Wenn der Rechtsanwalt also für ihn erkennbar nicht bestehende Ansprüche des Mandanten für diesen geltend macht, bewegt er sich im Bereich strafrechtlicher Verantwortung und macht sich zusätzlich schadensersatzpflichtig.
Haben Sie anwaltliche Schreiben erhalten, in denen Ihnen gedroht wird oder haben Sie den Verdacht, dass sich ihr eigener Rechtsanwalt außerhalb der Rechtsordnung bewegt, so stehen wir Ihnen hierbei zur Seite. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf, um gegebenenfalls weitere Schäden zu verhindern oder wirksam strafrechtlichem Verhalten zu begegnen.