Beweiskraft des Tatbestandes eines Urteils kann durch Protokoll entkräftet werden
In gerichtlichen Auseinandersetzungen kommte dem tatsächlichen Vorbringen der Parteien eine wichtige Rolle zu. Zu unterscheiden ist hiervon das Vorbringen rechtlicher Erwägungen durch eine Partei. Tatsächliches Vorbringen (konkret spricht das Gericht von Angriffs- und Verteidigungsmitteln) einer Partei kann beispielsweise gemäß § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden, wohingegen rechtliche Erwägungen auch nach einer den Parteien für ihren Vortrag gesetzten Fristen noch vorgebracht werden können.
Darüber hinaus können im Berufungsverfahren gemäß § 530 ZPO solche Angriffs- und Verteidigungsmittel als verspätet zurückgewiesen werden, die bereits in der ersten Instanz hätten vorgebracht werden können, nun aber schuldhaft erst im Berufungsverfahren vorgebracht werden.
Im Berufungsverfahren orientiert sich der Prüfungsmaßstab des Berufungsgerichts gemäß § 529 Abs. 1 ZPO an den erstinstanzlich festgestellten Tatsachen, zu denen auch das mündliche Parteivorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung gehört. Gemäß § 559 ZPO bestimmt ferner, dass für die Beurteilung des später ggf. zuständigen Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen unterliegt, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist.
Daher ist es insbesondere in Berufungsverfahren relevant, welchen Tatsachenvortrag eine Partei erstinstanzlich überhaupt gehalten hat.
Grundsätzlich folgt aus § 314 S. 1 ZPO, dass der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils dafür Beweis erbringt, welchen Vortrag eine Partei geliefert und insbesondere welches mündliche Parteivobringen stattgefunden hat. Diese Beweiskraft kann gemäß § 314 S. 2 ZPO nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.
Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24. Juli 2018 ausgeführt hat, rechtfertigt bereits die nachweisliche Abweichung der Wiedergabe des Parteivorbringens im Tatbestand des Urteils von dem Sitzungsprotokoll die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils. Diese Abweichung begründet einen Mangel des Urteils, wenn die rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Gerichts auf diesen tatbestandlichen Feststellungen beruht.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.