Darlegungs- und Beweislastverteilung bei Falschberatung
In vielen Haftungsfällen wird dem Rechtsanwalt eine unterlassene Aufklärung oder Falschberatung vorgeworfen. Zwei Szenarien treten dabei besonders häufig auf – nämlich der unliebsame Vergleich, den der Mandant in einem gerichtlichen Verfahren eingegangen ist, stellt sich später als unvorteilhaft heraus oder der vorgeschlagene Vergleich wird nicht eingegangen und der Mandant verliert danach den Prozess.
In beiden Fällen wird die Schuld häufig beim Rechtsanwalt gesucht. Im ersten Fall hätte er vom Vergleich abraten und im zweiten Fall zum Vergleich raten müssen. Unterstellt, dies wäre jeweils so und dem Mandanten wäre aus der fehlerhaften Beratung ein Schaden entstanden, stellt sich aber die Frage, wie er eine falsche oder unterbliebene Beratung zum Vergleichsabschluss im Haftungsprozess beweisen soll.
Häufig besprechen Mandant und Rechtsanwalt einen Vergleichsvorschlag in einer Verhandlungspause unter vier Augen.
Grundsätzlich trifft den Mandanten als Kläger im Haftungsverfahren die volle Beweislast für alle Voraussetzungen seines Haftungsanspruches – also auch hinsichtlich einer unterbliebenen Beratung. Der Mandant muss also Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzungen mit den nach der Zivilprozessordnung zur Verfügung stehenden Beweismitteln beweisen. Die Rechtsprechung hat jedoch für Fälle der Beraterhaftung, insbesondere für ermeintlich unterbliebene Beratungen (sogenannte Negativtatsachen) eine Beweiserleichterung geschaffen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten oder aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (vgl. nur BGH, Urteil v. 14. Juli 2016, Az. IX ZR 291/14 mwN).
Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gilt auch, wenn der Mandant den Rechtsanwalt wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Ablehnung eines Vergleichs in Anspruch nimmt.
Im Rahmen von Verhandlungen zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Um dem Mandanten eine eigenständige Entscheidung über den Abschluss des Vergleichs zu ermöglichen, muss er ihm dessen Vor- und Nachteile darlegen. Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvorschlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der Partei zu entbinden.
Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstellt und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen ist. In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsschluss abzusehen, gefolgt wäre. Nimmt der Mandant auf Anraten seines Rechtsanwalts eine günstige Vergleichsmöglichkeit nicht wahr, kommt es für einen Pflichtverstoß darauf an, ob im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlung objektive Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, die den Vergleich günstiger erscheinen ließen als dessen Ablehnung.