Der Anwalt muss sich bei Gericht erkundigen, ob die beantragte Fristverlängerung gewährt wurde.
Der Bundesgerichtshof hatte sich erneut mit dem so häufig auftretenen Fall anwaltlicher Pflichtverletzung in der Gestalt der Fristversäumnis zu befassen. Die Versäumung von Fristen stellt in der anwaltshaftungsrechtlichen Praxis den Paradefall einer Pflichtverletzung dar. Keine andere Pflichtverletzung tritt so häufig auf. Es kommt jedoch im Einzelfall noch immer darauf an, ob dem Mandanten deswegen auch ein ursächlicher Schaden entstanden ist und ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht.
Im entschiedenen Fall hatte der Rechtsanwalt in einem familienrechtlichen Verfahren gegen den Beschluss eines Amtsgerichts Beschwerde eingereicht. Die Beschwerde war binnen zweier Monate ab Zugang des Beschlusses zu begründen. Allerdings kann die Frist zur Begründung der Beschwerde auf Antrag verlängert werden. Nun verhielt es sich so, dass dieser Verlängerungsantrag bei Gericht nicht eingegangen war und das Gericht darauf hinwies, dass die später als zwei Monate nach Zugang der Beschwerde eingegangene Beschwerdebegründung als verspätet zu werten und die Beschwerde daher zurückzuweisen sei.
Zwar kann in solchen Fällen ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden, was hier auch geschah. Doch auch dieser wurde als verspätet zurückgewiesen, weil er nicht innerhalb der in § 234 Abs. 1 ZPO genannten Monatsfrist gestellt worden ist.
Mit durchweg beachtlicher Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt:
Ein Rechtsanwalt darf auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung nicht so lange vertrauen, wie er keine anders lautende Nachricht vom Gericht erhält. Er hat vielmehr durch geeignete Organisationsmaßnahmen sicherzustellen, dass bei ausbleibender Reaktion des Gerichts auf sein Fristverlängerungsgesuch noch vor Ablauf der beantragten verlängerten Frist dort Nachfrage gehalten wird, ob und in welchem Umfang dem Antrag stattgegeben wurde.
Kommt der Rechtsanwalt dem nicht nach, wird die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO spätestens zu dem Zeitpunkt in Gang gesetzt, zu dem er eine klärende Antwort auf eine solche Nachfrage erhalten hätte. Denn die Wiedereinsetzungsfrist beginnt, sobald die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter erkannt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Begründungsfrist versäumt worden ist.
Es bleibt daher festzuhalten, dass der Rechtsanwalt jedenfalls am letzten Tag der ursprünglichen Frist bei Gericht nachfragen muss, ob die beantragte Fristverlängerung gewährt worden ist.
Beachtlich ist insbesondere auch, dass es den Anwalt nicht von seinen Sorgfaltspflichten bei der Überprüfung des Fristenlaufs befreit, wenn er in diesem Zusammenhang unzutreffende Auskünfte des Gerichts erhält. Es gilt auch insoweit, dass der Rechtsanwalt sich auf eine unzutreffende Rechtsauskunft des Gerichts nicht ohne weiteres verlassen darf, sondern verpflichtet ist, die sich bei der Prozessführung stellenden Rechtsfragen in eigener Verantwortung zu überprüfen. Dementsprechend schließen selbst ursächliche Gerichtsfehler im Allgemeinen ein anwaltliches Verschulden nicht aus.