Die Prüfung eines Rechtsmittels ist nicht auf Büropersonal übertragbar
Der Bundesgerichtshof hatte sich erneut mit einem Haftungsfall wegen der Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten zu befassen. Der Rechtsanwalt vertrat mehrere Mieter in einem Mietrechtsstreit, der in erster und zweiter Instanz verloren ging. Das Berufungsgericht hatte die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen und den Streitwert auf rd. 15.000 € (also eine Jahresmiete) festgesetzt. In der Kanzlei des Rechtsanwalts wurde alsdann eine Rechtsanwaltsfachangestellte mit der Prüfung von Rechtsmitteln und Fristen hierfür sowie mit der Vorbereitung der jeweiligen fristwahrenden Schriftsätze betraut.
Diese ging davon aus, dass der gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO maßgebliche Beschwerdewert für die Nichtzulassungsbeschwerde von 20.000 € nicht erreicht und daher eine Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig sei. Daher sei lediglich eine Anhörungsrüge statthaft. Der Rechtsanwalt schloss sich dem an und reichte eine Anhörungsrüge ein.
Die rechtliche Bewertung der Rechtsanwaltsfachangestellten ist auf den ersten Blick einleuchtend und nachvollziehbar. Auf den zweiten Blick ist die Bewertung jedoch verfehlt und hatte zur Folge, dass das eingelegte Rechtsmittle der Anhörungsrüge ebenso zurückzuweisen war, wie die später mit dem Wiedereinsetzungsgesuch eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde.
Denn bei ordnungsgemäßer Überprüfung eines statthaften Rechtsmittels hätte auffallen müssen, dass die durch den Räumungsausspruch bedingte Beschwer den gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO zur Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Wert von mehr als 20.000 € weit übersteigt. Insbesondere hätte dem Rechtsanwalt die dazu seit langem bestehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bekannt sein müssen, wonach sich bei dem Streit über das Bestehen eines Mietverhältnisses, dessen Dauer – wie hier – unbestimmt ist, der Beschwerdewert nicht nach dem gemäß § 41 Abs. 2 GKG auf das Jahresentgelt begrenzten Gebührenstreitwert, sondern gemäß §§ 8 , 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Nettomiete bemisst. Das bedeutet, dass der Beschwerdewert anders als der Streitwert in der Berufung bei über 50.000 € lag und demnach die Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen gewesen wäre.
Hätte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dies berücksichtigt, hätte er die rechtsirrige Ansicht seiner Kanzleimitarbeiterin nicht übernehmen dürfen, ein Rechtsbehelf gegen den angefochtenen Beschluss sei nicht gegeben, und dementsprechend auch nicht die gemäß § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO unzulässige Anhörungsrüge bei dem Berufungsgericht einlegen dürfen. Er hätte vielmehr die rechtzeitige Beauftragung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde veranlassen müssen, um unter Wahrung der in § 544 Abs. 1 Satz 2 , Abs. 2 Satz 1 ZPO geregelten Fristen auf diese Weise das angefochtene Urteil unter anderem wegen der vermeintlichen Gehörsverletzungen zur revisionsrechtlichen Überprüfung zu stellen.
Das Vorgehen des Rechtsanwalts stellt eine Pflichtverletzung aus dem Mandatsverhältnis dar und kann einen Schadensersatzanspruch für die von ihm vertretenen Mandanten nach sich ziehen.
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