Fristversäumnis – Wieder ist das Faxgerät schuld.
Es gibt eine Fülle an Rechtsprechung zu versäumten Fristen aufgrund verspätet oder überhaupt nicht eingegangener Schriftsätze mittels Faxübertragung. Das Problem ist insoweit kein neues: Aus Gründen effektiven Rechtsschutzes ist es mit der (inzwischen eigentlich schon veralteten) technischen Neuerung der Faxübertragung ermöglicht worden, gesetzte Fristen bis zum letzten Tag und im Grunde auch bis zur letzten Minute auszuschöpfen. Zur Wahrung einer Frist, z.B. für die Einlegung einer Berufung gegen ein Urteil, genügt es, wenn am Tage des Fristablaufs der Berufungsschriftsatz vorab an das zuständige Gericht gefaxt wird und das Original des Schriftsatzes dann demnächst bei Gericht eingeht.
Viele Rechtsanwälte nutzen diese Möglichkeit exzessiv aus und fertigen den bestimmenden Schriftsatz noch in der Nacht des Fristablaufs, woran grundsätzlich nichts auszusetzen ist. Dabei ist jedoch evident, dass die Sorgfaltsanforderungen an den Rechtsanwalt umso höher steigen, je näher das Ende der Frist rückt.
Ein Beispiel: Das erstinstanzliche Urteil in einem Zivilverfahren wird dem Rechtsanwalt am 16. Juli 2014 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung läuft am 16. August 2014 ab. Genauer gesagt, muss die Berufung spätestens am 16. August 2014 um 23.59 Uhr bei Gericht eingegangen sein, wobei die Übermittlung vorab per Fax genügt. In unserem Beispiel fertigt der Rechtsanwalt den Berufungsschriftsatz erst am Abend des Fristablaufs und beginnt um 23.55 Uhr mit der Übermittlung des Schritsatzes per Fax an das Gericht. Die erste Übermittlung schlägt fehl. Die erneute Übermittlung gelingt. Allerdings gibt der Sendebericht das Ende der Übertragung für den 17. Juli 2014 um 00.01 Uhr aus. Die Frist ist damit nicht eingehalten, denn der Schriftsatz ist nicht (vollständig mit Unterschrift auf der letzten Seite) innerhalb der Berufungsfrist bei Gericht eingegangen.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte jüngst einen ähnlichen Fall zu entscheiden, bei dem der Rechtsanwalt um „zehn vor zwölf“ am Tage des Fristablaufs für die Begründung der Berufung den Schriftsatz mittels des Faxgerätes über die Verbindungsart Voice over IP (VoIP) an das Gericht senden wollte. Hierbei kam es offensichtlich zu Problemen, denn das Fax kam dort nicht an. Der Anwalt führte im Rahmen des späteren Wiedereinsetzungsverfahrens aus: „Da es seither sporadisch sowohl beim Versand als auch beim Empfang zu Problemen gekommen sei, werde der Dienstleister „nur noch in zeitlich weniger kritischen Tagesabschnitten genutzt“.
Hieraus schloss das Gericht jedoch, dass die Nichteinhaltung der Frist tatsächlich nicht unverschuldet war und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist. Tatsächlich treffe den Rechtsanwalt ein Verschulden. Das Versenden von Faxen mittels Voice over IP gilt nicht als so sicher wie es von den Anbietern oft angepriesen wird. Das sogenannte Protokoll T.38 schaffe dagegen eine gute Grundlage für eine zuverlässige Faxübertragung. Manche Anbieter erlauben aber nur die Übertragung einer bestimmten Datenmenge. Der Anbieter des VoIP-Dienstes des Anwaltes verweist auf seiner Homepage auch darauf, dass das T.38 Protokoll nicht unterstützt wird. Weiter heißt es dort: „Falls Sie ein per Adapter angeschlossenes Faxgerät verwenden, können wir leider keine Angaben zur Zuverlässigkeit machen und entsprechend keine Garantie für eine zuverlässige Übertragung übernehmen.“
Der vergebliche Faxversuch um zehn Minuten vor zwölf ist jedenfalls dann nicht unverschuldet, wenn es zuvor schon zu zeitlichen Unregelmäßigkeiten bei der Faxversendung mittels Voice over IP (VoIP) kam. Davon ist hier auszugehen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.03.2015, Az. 15 Sa 11/15).
Es bleibt festzuhalten:
1. Je näher das Ende der Frist rückt, desto höher sind die Sorgfaltsanforderungen an den Rechtsanwalt bezüglich der Einhaltung der Frist.
2. Für die fristwahrende Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax ist es erforderlich, dass der Schriftsatz vollständig einschließlich der Unterschrift des Rechtsanwaltes vom Faxgerät des Gerichts innerhalb der Frist empfangen wird.
3. Für die rechtzeitige Übermittlung des Faxes ist in erster Linie der Rechtsanwalt selbst verantwortlich. Technische Störungen entlasten ihn in der Regel nicht. Dies gilt umso mehr, soweit der Rechtsanwalt offensichtlich unsichere Übertragungsvarianten nutzt oder es nachweislich bei der Übertragung mit dem Faxgerät der Kanzlei schon zuvor Probleme gegeben hatte.
Es steht zu erwarten, dass es in mittelfristiger Zukunft mit Einführung des elektronischen Anwaltspostfaches eine spürbare Entlastung für die Anwaltschaft geben wird.