Herausgabe der Handakte ist Berufspflicht des Rechtsanwalts
Das jüngste Urteil des BGH vom 3. November 2014 zu diesem Thema hat es noch einmal bestätigt – dem Rechtsanwalt obliegt eine Pflicht zur Herausgabe der Handakte. Dies folgt zwar nicht ausdrücklich aus § 50 BRAO aber aus der Auslegung dieser Norm sowie aus den Vorschriften der §§ 43 BRAO und 675, 667 BGB. Die Regelung des Zurückbehaltungsrechts in § 50 Abs. 3 BRAO macht nur dann Sinn, wenn dem Rechtsanwalt auch eine Pflicht zur Herausgabe der Handakte obliegt.
Was folgt hieraus für die Praxis? Was muss der Mandant wissen?
Der Mandant hat einen Anspruch auf Herausgabe (nicht Übersendung) der Handakte des Rechtsanwalts. Der Rechtsanwalt darf die Herausgabe der Handakte aber verweigern, wenn noch offene Gebühren vom Mandanten zu bezahlen sind. Dabei darf der Rechtsanwalt dieses Zurückbehaltungsrecht aber nicht missbräuchlich einsetzen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der noch offene Betrag derart gering ist, dass er zu dem berechtigten Interesse des Mandanten in auffällig krassem Missverhältnis steht – wenn etwa der Mandant die Unterlagen aus der Handakte dringend benötigt und ihm bei nicht umgehender Herausgabe großer Schaden droht. Ein weiterer Fall der missbräuchlichen Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wäre es, wenn der Rechtsanwalt noch überhaupt keine Rechnung an den Mandanten versandt hat, was bemerkenswert häufig in solchen Konstellationen zu verzeichnen ist.
Was ist Bestandteil der Handakte?
Die Handakte soll alle Unterlagen enthalten, die der Rechtsanwalt im Zusammenhang mit der Mandantsbearbeitung gefertigt und vom Mandanten oder Dritten (Gegner, Gerichte, Behörden etc.) entgegengenommen hat. Herauszugeben hat der Rechtsanwalt all solche Unterlagen, die nicht die Korrespondenz zwischen Anwalt und Mandant betreffen und auch solche Unterlagen muss der Rechtsanwalt nicht herausgeben, die der Mandant bereits zuvor in Abschrift oder im Original erhalten hat.
Wozu wird die Handakte benötigt?
Relevant ist vor allem der Fall, dass der Rechtsanwalt Originalunterlagen und wichtige Urkunden zu Mandatsbeginn vom Mandanten erhalten hat und diese nunmehr vom Mandanten benötigt werden. Es kann auch sein, dass der Mandant beabsichtigt, Schadensersatzansprüche gegen seinen Rechtsanwalt geltend zu machen. Hierfür ist erforderlich, dass der Mandant ein möglichst vollständiges Bild von der Mandatsbearbeitung des Rechtsanwaltes erhält. Nicht selten ist es genau der Grund für das Zerwürfnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt, dass sich der Mandant nicht rechtzeitig und umfassend informiert fühlt und der Rechtsanwalt Unterlagen nicht an den Mandanten weitergeleitet hat. Außerdem kann es sein, dass die vom Rechtsanwalt herausgegebene Handakte Vermerke, Hinweise und Notizen enthält, aus denen sich Rückschlüsse auf seine Pflichtverletzungen aus dem Mandatsverhältnis ziehen lassen oder solche Pflichtverletzungen sogar dokumentieren. Beabsichtigt der Mandant also, Schadensersatzansprüche gegen seinen Rechtsanwalt prüfen zu lassen, weil er mit dessen Arbeit nicht einverstanden ist, sollte er zunächst die Handakte heraus verlangen.
Was passiert, wenn der Anwalt sich zu unrecht weigert, die Handakte heraus zu geben?
Liegt kein Zurückbehaltungsrecht vor und verweigert der Rechtsanwalt trotzdem die Herausgabe, begeht er in der Regel einen berufsrechtlichen Pflichtenverstoß. Unabhängig davon, dass der Herausgabeanspruch auch zivilrechtlich eingeklagt werden kann, steht es dem Mandanten frei, sich bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu beschweren. Zur Ahndung von berufsrechtlichen Verstößen ist die Rechtsanwaltskammer des betreffenden Bundeslandes oder die Anwaltsgerichtsbarkeit berufen.
Sollten Sie uns mit der Prüfung oder Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Mandatsbearbeitung Ihres Rechtsanwalts beauftragen, können wir gern auch in Ihrem Namen die Handakte anfordern und sogleich inhaltlich auf Fehler bei der Mandatsbearbeitung überprüfen. Bitte kontaktieren Sie uns hierzu.