Herausgabepflicht der Handakte konkretisiert
In unseren Beiträgen Berufspflichten des Rechtsanwalts und Herausgabe der Handakte ist Berufspflicht des Rechtsanwalts hatten wir uns bereits mit der Pflicht zur Herausgabe der Handakte durch den Rechtsanwalt befasst.
Mit Datum vom 17. Mai 2018 hat der Bundesgerichtshof die Reichweite des Herausgabeanspruchs des Mandanten bezüglich der anwaltlichen Handakte weiter konkretisiert. Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.
Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, seinem Mandanten auf Verlangen die gesamte Handakte herauszugeben. Diese Herausgabepflicht ergibt sich aus dem Anwaltsdienstvertrag, der zwischen dem Anwalt und dem Mandanten besteht. Dem Mandanten ist in der Regel alles herauszugeben, was aus der Geschäftsbesorgung im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit erlangt worden ist. Insbesondere drittgerichteter Schriftverkehr ist hiervon erfasst. Sowohl die dem Rechtsanwalt zugegangenen Schriftstücke als auch Kopien eigener Schreiben können herausverlangt werden. Wie der BGH nun klarstellte, sind auch Notizen, die der Rechtsanwalt während Besprechungen anfertigt, an den Mandanten herauszugeben.
Eine Ausnahme zur Herausgabepflicht besteht allerdings, wenn die Herausgabe Geheimhaltungsinteressen anderer Mandanten desselben Anwalts verletzt. Macht der Anwalt beispielsweise Notizen, die persönliche Eindrücke wiedergeben, die nicht für die Einsicht durch den Mandanten bestimmt sind, ist eine Herausgabe nicht zumutbar. Dem Anwalt muss ein gewisser Freiraum zugestanden werden, vertrauliche Hintergrundinformationen zu sammeln. Laut dem BGH sei das Verschweigen dieser Informationen im Interesse seines Mandanten sowie im Interesse der Rechtspflege. Eine Verschwiegenheitspflicht besteht außerdem dann, wenn Kenntnisse aus anderen Mandatsverhältnissen, sonstigen Mandanten nicht offenbart werden dürfen.
Eine Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht kann eine vertragliche und deliktische Haftung für den Anwalt auslösen und daher auch als Grund für eine Verweigerung der Herausgabe herangezogen werden. Die Darlegungslast liegt in solchen Fällen beim Rechtsanwalt. Verweigert dieser die Herausgabe, muss er nähere Tatsachen nachvollziehbar vorbringen, um sich auf Geheimhaltungsinteressen sonstiger Mandanten berufen zu können. Das Gericht muss sich auf Grundlage der Sachverhaltsangaben, ohne dass ein Geheimnis aufzudecken ist, ein Bild davon machen können, worum es geht. Dies kann beispielsweise durch eine vollständig anonymisierte Darstellung geschehen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall betonte das Gericht darüber hinaus, dass ein Rechtsanwalt einem Herausgabeverlangen der gesamten Handakte nicht entgegenhalten kann, dass in derselben Handakte unterschiedliche Mandate betreffende Schriftsätze vereinigt sind. Die Pflicht zur Anlegung einer gesonderten Handakte für unterschiedliche Verfahren ist eine Mindestvoraussetzung einer Verwaltungsstruktur für die anwaltliche Tätigkeit und unerlässlich für die Schaffung eines geeigneten Beweismittels für den Rechtsanwalt und den Mandanten.
Verweigert Ihr Rechtsanwalt die Herausgabe der Handakte? Dann nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf.