Hinweispflichten des Anwalts außerhalb des Mandats
In der Praxis ist umstritten, ob der Rechtsanwalt auch Warnungen und Hinweise zu Aspekten aussprechen muss, die sein eigentliches Mandat nicht betreffen, sondern von denen er nur zufällig Kenntnis erlangt hat. In seinem Urteil vom 21. Juni 2018 konkretisiert der Bundesgerichtshof den Umfang von Warn- und Hinweispflichten eines Rechtsanwalts. Der IX. Senat des BGH, der im Allgemeinen eher im Sinne der Mandanten entscheidet, äußert sich in dieser Entscheidung überraschend deutlich zugunsten der beklagten Rechtsanwältin.
Ein Rechtsanwalt sei nur dann zu Warnungen und Hinweisen außerhalb des ihm erteilten Mandats verpflichtet, wenn er die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten kannte, aus denen die dem Mandanten drohende Gefahr folgte, oder wenn diese offenkundig waren. Der tatsächliche Umfang und Inhalt der vertraglichen Pflichten eines Rechtsanwalts richte sich nach dem jeweiligen Mandat und den Umständen des einzelnen Falls.
Der BGH macht deutlich, dass in Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung ein Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Mandanten verpflichtet sei. Insbesondere Unkundige müsse er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Darüber hinaus müsse er dem Mandanten diejenigen Schritte anraten, die zu dem erstrebten Ziele führen, und den Eintritt von Nachteilen oder Schäden verhindern, die voraussehbar und vermeidbar sind. Darunter fällt beispielsweise der Hinweis auf bestimmte Fristen. Nach der Entscheidung des BGH soll der Mandant durch den Anwalt auch über weitere mögliche Risiken aufgeklärt werden. Diese Pflichten gelten im Grundsatz allerdings nur in den Grenzen des erteilten Auftrags, also nur soweit das Mandant des Rechtsanwalts reicht.
Ausnahmsweise könne ein Rechtsanwalt aber auch über sein gegenständlich beschränktes Mandat hinaus verpflichtet sein, Hinweise und Warnungen gegenüber dem Auftraggeber auszusprechen. Diese Verpflichtung ergebe sich aus einem Wissensgefälle von Mandant und Anwalt und beruhe auf dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Um eine derartige Pflicht über das Mandat hinaus zu begründen, bedürfe es zweierlei Voraussetzungen: Erstens müsse die dem Mandanten drohende Gefahr dem Anwalt bekannt sein oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufgedrängt haben. Der Rechtsanwalt wäre damit nicht zu Nachforschungen verpflichtet. Die zweite Voraussetzung sei, dass der Anwalt Grund zu der Annahme hatte, dass sich der Mandant der Gefahr nicht bewusst war.
Diese Voraussetzungen einer über das Mandat hinausgehenden Warn- und Hinweispflicht müssen vom Mandanten dargelegt und bewiesen werden, will er den Rechtsanwalt haftbar machen und auf Schadensersatz wegen unterbliebener Warnungen und Hinweise in Anspruch nehmen.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.