Ist Kinderlärm ein Mietmangel?
Ist Kinderlärm ein Mietmangel?
Mit dieser Frage hatte sich kürzlich der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29.04.2015, Aktenzeichen: VIII ZR 197/14, auseinanderzusetzen. Mieter hatten Mietmängel geltend gemacht, da Jugendliche auf dem sich auf dem Nachbargrundstück befindlichen Bolzplatz außerhalb der per Schilder ausgewiesenen Zeiten regelmäßig Lärm verursachten. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die in § 22 Abs. 1a BImSchG vorgesehene Privilegierung von Kinderlärm auch bei einer Bewertung von Lärmeinwirkungen als Mangel einer gemieteten Wohnung zu berücksichtigen sei. In § 22 Abs. 1a BISchG hat der Gesetzgeber festgelegt, dass Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung darstellen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
Ist § 22 Abs. 1a BImSchG anwendbar, wird Kinderlärm somit regelmäßig als Mietmangel zu verneinen sein.
Vorliegend hatte der Bundesgerichtshof allerdings Zweifel, ob diese Norm tatsächlich anzuwenden ist. Wenn diese Norm – wie vermutlich hier – nicht einschlägig sei, weil die Lärmimmissionen außerhalb der erlaubten Zeiten erfolgten, müsste anhand der sonstigen mietrechtlichen Regeln beurteilt werden, ob ein Mietmangel vorliegt.
Normalerweise treffen Parteien über mögliche Lärmimmissionen keine ausdrückliche Vereinbarung, z.B. im Mietvertrag. Gibt es keine konkrete Parteivereinbarung, ob Lärm einen Mangel darstellt, begründen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte (wie hier durch die Jugendlichen) jedenfalls dann grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn auch der Vermieter keine Ansprüche gegen den Nachbarn habe. Insoweit – so der Bundesgerichtshof – nehme der Wohnungsmieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil (Fortführung der Senatsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. Urteile vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 152/12 , NJW 2013, 680 Rn. 12; vom 23. September 2009 – VIII ZR 300/08 , WuM 2009, 659 Rn. 15, 17).
Kurz zusammengefasst heißt das: Kann der Vermieter wegen des Lärms vom Spielplatz nebenan gegen den Nachbarn juristisch nicht vorgehen, darf der Mieter auch nicht mindern.
Der Bundesgerichtshof hat den oben genannten Fall allerdings nicht abschließend ausgeurteilt, sondern diesen zur Entscheidung an das vorherige Berufungsgericht zurück verwiesen, da dieses noch zu prüfen hat, ob es sich im Rechtsstreit um einen Kinder- oder Ballspielplatz im Sinne des § 22 Abs. 1a BImSchG handelt, ob die von ihm ausgehenden Geräuschimmissionen von anderen Personen als Kindern verursacht werden und entsprechend des Ergebnisses klären muss, ob § 22 Abs. 1a BImSchG anwendbar ist. Außerdem müsse es noch prüfen, ob die Kläger nach den immissionsschutz- und bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten oder etwaigen sonstigen Emissionsumständen die Geräuschimmissionen zu dulden haben und ob ihnen bejahendenfalls zumindest ein Ausgleichsanspruch – etwa gegen die Nachbarn – zusteht. Denn danach beurteile sich, ob ein Mangel vorliegt, der zur Minderung berechtige.
Wie man den Ausführungen des Bundesgerichtshofes entnehmen kann, ist die Frage, ob von Dritten ausgeübter Lärm als Mietmangel angesehen werden kann, äußerst komplex.