Persönliche Einreichung fristgebundener Schriftsätze durch Rechtsanwalt
Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt kann ein Mandant mitunter dann geltend machen, wenn der Rechtsanwalt eine Schriftsatzfrist nicht eingehalten und dem Mandanten hierdurch einen Schaden verursacht hat. Im Falle einer Fristversäumnis sollte ein Rechtsanwalt den Versuch unternehmen, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird dann gewährt, wenn die Frist unverschuldet nicht eingehalten wurde.
Zur Frage des Verschuldens des Rechtsanwalts bei der Fristwahrung hatte sich jüngst erneut der Bundesgerichtshof anzunehmen. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Rechtsanwalt hatte in einem Verfahren eine fristgebundene Beschwerdeschrift für die Mandantin gefertigt und wollte diese am Tage des Fristablaufs nicht per Telefax übermitteln sondern persönlich bei Gericht in den Briefkasten einwerfen, weil er ohnehin dort einen Gerichtstermin wahrzunehmen hatte. Auf dem Weg zum Gericht hatte er seine Ehefrau mit dem Auto mitgenommen, die während der Verhandlung einkaufen gehen wollte, den Rechtsanwalt aber daran erinnern sollte, dass er den Schriftsatz tatsächlich einwerfen wolle.
Letztlich vergaß der Rechtsanwalt, den Schriftsatz einzuwerfen und wurde auch von seiner Ehefrau nicht daran erinnert. Die Frist war somit an diesem Tage abgelaufen. Fraglich war, ob der Mandantin deswegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war, weil der Rechtsanwalt die Frist ohne Verschulden versäumt hatte und alles Zumutbare unternommen hatte.
Die Verteidigungsstrategie des Anwalts sah so aus, dass er deswegen alles Zumutbare unternommen habe, weil er seine Frau angewiesen hatte, ihn entsprechend zu erinnern. Weil sie dies vergessen hatte, sei ein Verschulden zu verneinen. Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21. Dezember 1988 (VIII ZB 35/88 – NJW 1989, 1158) entschieden, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen kann, wenn der Rechtsanwalt vergisst, die von ihm mitgenommene Berufungsbegründung beim Gericht abzugeben, aber eine Kanzleiangestellte angewiesen hat, ihn nach Rückkehr in die Kanzlei darauf anzusprechen, ob er den Schriftsatz abgegeben habe. In der genannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die erteilte Anweisung an die Kanzleiangestellte deshalb als eine geeignete Vorkehrung zur Sicherung der Fristwahrung angesehen, weil die Anweisung gerade der Kanzleikraft erteilt worden ist, die die Berufungsbegründung geschrieben hat und ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 , 117 Abs. 5 FamFG i.V.m. §§ 233 , 85 Abs. 2 ZPO darf einem Verfahrensbeteiligten nur gewährt werden, wenn seinen Verfahrensbevollmächtigten kein auch nur mitursächliches Verschulden an der Fristversäumung trifft. Insoweit war zu Recht darauf hinzuweisen, dass es dem Rechtsanwalt unschwer möglich gewesen wäre, nachdem er seine Ehefrau nach Hause gebracht hatte, in seine Kanzlei zu fahren und den Schriftsatz per Telefax fristgerecht beim Beschwerdegericht einzureichen.
Außerdem sei er krank gewesen und deswegen an der Einhaltung der Frist gehindert.
Das Gericht sah dies anders. Der Rechtsanwalt hat die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist schuldhaft verursacht, indem er vergessen hat, die Rechtsmittelbegründungsschrift rechtzeitig vor Ablauf der Frist beim Beschwerdegericht abzugeben.
Im Kern führt das Gericht die bereits bestehende Rechtsprechung konsequent fort – je näher der Tag des Fristablaufs rückt, desto höher sind die Anforderungen an die Sorgfalt des Rechtsanwalts und desto größer müssen die Anstrengungen sein, um die Einhaltung der Frist sicher zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Entschließt sich ein Rechtsanwalt, einen fristgebundenen Schriftsatz selbst bei Gericht einzureichen, übernimmt er damit die alleinige Verantwortung für die Einhaltung der Frist. Er hat auch in diesem Fall geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen fristgerechten Eingang des Schriftsatzes zu gewährleisten. Reicht er den Schriftsatz nicht rechtzeitig bei Gericht ein, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn der Rechtsanwalt alle erforderlichen Schritte unternommen hat, die bei einem normalen Verlauf der Dinge mit Sicherheit dazu führen würden, dass die Frist gewahrt wird.
Der Krankheitsaspekt sei deswegen icht zu berücksichtigen, weil der Rechtsanwalt ja immerhin in der Lage gewesen ist, den Verhandlungstermin bei Gericht wahrzunehmen. Ein Grund, weshalb er daran gehindert gewesen sein soll, den Schriftsatz in den Briefkasten einzulegen oder am Abend per Fax an das Gericht zu senden, war daher nicht ersichtlich. Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er eine solche Situation vorhersehen kann. Selbst bei einer unvorhergesehenen Erkrankung muss ein Rechtsanwalt alle ihm dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen. Der krankheitsbedingte Ausfall des Rechtsanwalts am letzten Tag einer Rechtsmittelfrist rechtfertigt daher für sich genommen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch nicht.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.