Recht auf mündliche Befragung eines Sachverständigen im Prozess
Nicht selten kommt es im gerichtlichen Verfahren auf die Beweisführung mittels Sachverständigengutachten an. Wenn das Gutachten sich dann für eine Partei nachteilhaft auswirkt, wird diese regelmäßig Klärungsbedarf sehen und den Sachverständigen hierzu befragen wollen. Allerdings ist vielen Rechtsanwälten oder Prozessbeteiligten oft nicht geläufig, dass hierzu überhaupt ein Recht besteht. Gelegentlich weisen Gerichte einen solchen Antrag auf mündliche Befragung des Sachverständigen auch unberechtigter Weise zurück, wie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Februar 2017, Az. VI ZR 314/15 zeigt.
Das Gericht führt aus:
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats steht jeder Prozesspartei gemäß §§ 397 , 402 ZPO zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs das Recht zu, einen Sachverständigen zu seinem schriftlichen Gutachten mündlich zu befragen.
Der Tatrichter muss dementsprechend dem von einer Partei rechtzeitig gestellten Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens zu dessen mündlicher Verhandlung zu laden, selbst dann stattgeben, wenn die schriftliche Begutachtung aus der Sicht des Gerichts ausreichend und überzeugend ist.
Dieser Pflicht ist der Tatrichter nur ausnahmsweise dann enthoben, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist. Von letzterem kann nicht die Rede sein, wenn die Partei (wie in § 411 Abs. 4 ZPO vorgesehen) konkret vorgetragen hat, worin sie Unklarheiten und Erläuterungsbedarf im Hinblick auf das schriftliche Sachverständigengutachten sieht und in welcher Richtung sie ihr Fragerecht ausüben will.
Im vom BGH entschiedenen Fall hatte das Berufungsgericht den Antrag auf mündliche Erläuterung des Gutachtens verfahrensfehlerhaft zurückgewiesen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung auch das weitere Vorbringen der Klägerin zu berücksichtigen haben.