Unterbliebener Rat an den Mandanten, seine Versicherung zu informieren
Das Landgericht Düsseldorf hatte am 20. Januar 2015 in einem Anwaltshaftungsverfahren entschieden, dass der Rechtsanwalt dem Mandanten zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil er den Mandanten nicht darüber informiert hatte, dass er seine Haftpflichtversicherung (die des Mandanten) über einen weitergehenden Schaden informieren soll. Diese Rechtsprechung veranschaulicht, wie weitreichend und umfassend im Einzelfall die Gerichte die Pflichten des Rechtsanwalts aus dem Mandatsvertrag ansehen. Anhand dieser Entscheidung ist auch erklärlich, dass nicht wenige Juristen anwaltsfeindliche Tendenzen in der Rechtsprechung erkannt haben wollen.
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Mandant betreibt ein Transportunternehmen. Im Dezember 2008 kam es zu einem Unfall auf einer Baustelle, bei dem dem Mandanten Schäden entstanden sind. Der Mandant meldete den Schaden seiner Haftpflichtversicherung, da auch anderen Unternehmen Schäden entstanden waren. Er beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Baustellenbetreiber. Noch während des langen Verfahrens erhob der verklagte Baustellenbetreiber erhebliche Gegenansprüche und machte diese per Widerklage in 2010 geltend. Alsdann wurde ein Vergleich geschlossen, nach dem der Mandant zwar EUR 4.000,00 erhalten, aber zugleich knapp EUR 30.000,00 zu zahlen hatte.
Nach Abschluss des Vergleiches verweigerte die Versicherung des Mandanten aber die Zahlung für den Mandanten an die Gegenseite. Die Versicherung brachte vor, dass der Mandant gegen seine versicherungsvertragliche Obliegenheit zur rechzeitigen Anzeige eines Schadens verstoßen habe, da er zwar das Schadensereignis in 2008 aber nicht den weitergehennden Schaden, den die Gegenseite per Widerklage in 2010 geltend gemacht hatte, angezeigt hatte.
Nun hatte der Mandant den Rechtsanwalt auf Zahlung der aufgrund des Vergleichs zu zahlenden Summe mit der Begründung verklagt, dieser habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass er sich wegen der Widerklage erneut an die Versicherung wenden und dies anzeigen solle. Der Rechtsanwalt meint, er habe keine Pflichten verletzt, immerhin habe der Mandant seiner Versicherung ja bereits in 2008 den Schadensfall gemeldet.
Das Gericht hat dem Mandanten im Regressverfahren Recht gegeben und den zuständigen Rechtsanwalt verurteilt.
Der Rechtsanwalt hat nach Auffassung des Gerichts seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Die Pflichtverletzung ist darin zu sehen, dass er den Mandanten – insoweit unstreitig – nicht über die versicherungsvertragliche Prozessführungsbefugnis seiner Haftpflichtversicherung für die Widerklage aufgeklärt hat. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein Rechtsanwalt zu einer allgemeinen, umfassenden und erschöpfenden Beratung verpflichtet ist. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist.
Hiergegen hat der Rechtsanwalt nach Auffassung des Regressgerichts verstoßen. Er hätte den Mandanten spätestens bei Zustellung des Widerklageschriftsatzes darauf hinweisen müssen, dass er seine Inanspruchnahme gegenüber seiner Haftpflichtversicherung hätte anzeigen müssen, um die Deckung nicht zu verlieren.
Die Pflichtverletzung des beklagten Anwalts hat zu einem kausalen Schaden in Höhe der Zahlungsverpflichtung des Mandanten aus dem geschlossenen Vergleich geführt.
Im Hinblick auf die haftungsbegründende Kausalität gilt die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens. Danach ist davon auszugehen, dass der Mandant sich bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung durch den Rechtsanwalt über die Anzeigepflicht und das Eintrittsrechts der Haftpflichtversicherung beratungsgemäß verhalten hätte, also die gegen ihn aus dem Schadensereignis resultierende Widerklage rechtzeitig angezeigt hätte. In diesem Fall wäre der Mandant nicht mit dem Vergleichsbetrag belastet worden. Denn entweder hätte die Haftpflichtversicherung dem Vergleichsschluss zugestimmt und dem Mandanten Deckung gewährt, oder aber sie hätte die Prozessführung übernommen und hätte dem Mandanten dann – selbst bei einem ungünstigen Ausgang des Verfahrens – eine Deckung nicht aufgrund der Nichtanzeige versagen können.
Aus der Entscheidung folgt, dass den Rechtsanwalt erhebliche Aufklärungspflichten treffen, die sich je nach Verlauf des Mandats ändern und insbesondere auch erweitern können.