Zu den Belehrungspflichten eines Anwalts bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs
Die Gerichte sind von Gesetzes wegen und aus Gründen der Prozessökonomie gehalten, in dem Verfahren auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Die Parteien des Rechtsstreits können bei gerichtlichen Vergleichen deren Tragweite oft nicht einschätzen. Vor allem aber hängt die Entscheidung, ob nun ein Vergleich eingegangen werden soll oder nicht, im Kern davon ab, wie die Erfolgsaussichten des Verfahrens ohne den avisierten Vergleich zu bewerten sind.
In dieser Situation ist es Sache des Rechtsanwalts, den Mandanten umfassend und zutreffend aufzuklären, damit er eine Entscheidung treffen kann.
Der Bundesgerichtshof führt in ständiger Rechtsprechung (zuletzt mit Urteil v. 14. Juli 2016 IX ZR 291/14) dazu aus:
„Im Rahmen von Verhandlungen zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Um dem Mandanten eine eigenständige Entscheidung über den Abschluss des Vergleichs zu ermöglichen, muss er ihm dessen Vor- und Nachteile darlegen. Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvorschlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der Partei zu entbinden.
Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstellt und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen.
In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsschluss abzusehen, gefolgt wäre. Nimmt der Mandant auf Anraten seines Rechtsanwalts eine günstige Vergleichsmöglichkeit nicht wahr, kommt es für einen Pflichtverstoß darauf an, ob im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlung objektive Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, die den Vergleich günstiger erscheinen ließen als dessen Ablehnung.“
In den Fällen, in denen der Mandant Schadensersatzansprüche gegen seinen früheren Rechtsanwalt geltend machen will, weil dieser ihm entweder von einem günstigen Vergleich abgeraten oder zu einem ungünstigen Vergleich geraten hatte, kommt es unter anderem darauf an, ob eine pflichtwidrige Beratung zum Vergleich im Haftungsprozess gegen den Rechtsanwalt bewiesen werden kann.
Für die Schadensersatzklage gegen einen Rechtsanwalt trifft die Beweislast denjenigen, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet. Doch wie soll der Mandant eine fehlende Beratung/Aufklärung über den Vergleichsschluss (eine negative Tatsache) denn beweisen?
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten oder aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft. Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gilt auch, wenn der Mandant den Rechtsanwalt wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Ablehnung eines Vergleichs in Anspruch nimmt.
Der Mandant wird also in diesem Punkt von der Beweislast nicht komplett befreit – jedoch greift eine Beweiserleichterung ein. Der Rechtsanwalt muss bei der behaupteten unterlassenen Beratung/Aufklärung substantiiert, also konkret und präzise dazu vortragen, wann und wie er denn den Mandanten beraten und aufgeklärt haben will. Erst dann wäre es Sache des Mandanten, nachzuweisen, dass diese Darstellung unzutreffend ist.