Zum Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall
Den meisten Verkehrsteilnehmern ist bekannt, dass bei einem Auffahrunfall der erste Anschein für die Schuld des Auffahrenden an der Unfallverursachung spricht. Der sogenannte Anscheinsbeweis folgt daraus, dass der Auffahrende entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO).
Der Anscheinsbeweis dient in diesem Zusammenhang der Erleichterung der Beweisführung des vorausfahrenden Fahrers. Will dieser Schadensersatzansprüche gegen den auffahrenden Fahrer geltend machen, so spricht zugunsten des Vorausfahrenden eben dieser Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende die Schuld am Unfall trägt. Es wäre dann Sache des Auffahrenden sich zu entlasten.
In diesem Zusammenhang gilt, dass der Auffahrunfall als solcher als Grundlage eines Anscheinsbeweises aber dann nicht ausreicht, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses hinzutreten, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Steht also fest, dass der Vorausfahrende einen plötzlichen Spurwechsel vor den Auffahrenden vorgenommen hat, entfällt der Anscheinsbeweis für die Schuld des Auffahrenden.
Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel jedoch und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt – in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.