Zum Fristversäumnis bei Krankheit des Rechtsanwalts
Anwälte sind Menschen und Menschen werden hin und wieder krank. Fraglich ist insoweit, ob dieser Umstand einen Rechtsanwalt entlasten kann, wenn er aufgrund der Krankheit eine Frist versäumt. Die Antwort lautet: Es kommt darauf an.
Der Bundesgerichtshof hatte kürzlich einen Fall zu entscheiden, bei dem der Rechtsanwalt eine Berufungsbegründung zu fertigen hatte. Für die Begründung hatte er bereits eine Fristverlängerung beantragt. Nach der Zivilprozessordnung kann eine weitere Fristverlängerung nur bei Einwilligung der Gegenseite gewährt werden. Die Berufungsbegründungsfrist lief am 9. Dezember 2014 ab. An diesem Tage beantragte er eine weitere Verlängerung der Frist um einen Monat, denn er leide bereits seit dem 1. Dezember 2014 unter akuten Beschwerden, nämlich an Ermüdungszuständen, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Antriebslosigkeit sowie Sprach- und Sehstörungen, die ihn arbeitsunfähig machten. Eine Einwilligung der Gegenseite in die Fristverlängerung gab es aber nicht. Erst am 10. Februar 2015 reichte der Rechtsanwalt die Berufungsbegründung ein und beantragte zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – der von ihm vertretene Kläger sei unverschuldet an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen.
Das Gericht lehnte jedoch den Wiedereinsetzungsantrag ab und wies die Berufungsbegründung als verspätet zurück. Die Berufung des Klägers ging deswegen verloren.
Der Bundesgerichtshof hatte über die Beschwerde des Rechtsanwalts hiergegen zu entscheiden und führte aus:
1. Der Rechtsanwalt war nicht plötzlich und unvorhersehbar erkrankt. Angesichts der bereits am 1. Dezember 2014 aufgetretenen Symptome durfte er sich nicht darauf verlassen, dass diese von selbst wieder verschwinden und die vollständige Arbeitskraft rechtzeitig wieder hergestellt sein würde. Vielmehr hätte er angesichts des nahenden Fristablaufs Vorkehrungen für den Fall treffen müssen, dass sich sein Zustand nicht nennenswert verbessert oder er sich gar verschlimmert. Er hätte sich entweder früher um die Einwilligung der Gegenseite in die Fristverlängerung bemühen müssen oder einen Vertreter mit der Begründung der Berufung beauftragen müssen.
2. Die Krankheit eines Prozessbevollmächtigten schließt das Verschulden an der Versäumung einer Frist nur dann aus, wenn die Erkrankung für den Prozessbevollmächtigten nicht vorhersehbar war. Ist der krankheitsbedingte Ausfall dagegen vorhersehbar, muss sich der Rechtsanwalt durch konkrete Maßnahmen vorbereiten. Andernfalls begeht der Rechtsanwalt eine Pflichtverletzung aus dem Mandatsvertrag und kann dem Mandanten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein.