Zur Büroorganisation und Fristenkontrolle
Wie bereits im Artikel über die Kontrolle einer beantragten Fristverlängerung erwähnt, ist es Aufgabe des Rechtsanwalts, durch geeignete büroorganisatorische Maßnahmen die Einhaltung von Fristen sicher zu stellen. Noch immer stellt das Fristversäumnis den häufigsten Fall dar, in denen Rechtsanwälte Pflichten aus dem Mandatsverhältnis verletzen und in keinen anderen Fällen kommt es so oft zu einem Anwaltsregress.
Erneut hatte sich der Bundesgerichtshof mit einer Entscheidung vom 25. Februar 2016 mit diesem Problemfeld zu befassen. Die Entscheidung des BGH fasst noch einmal die Grundsätze der Büroorganisation zusammen und stellt darüber hinaus klar, wie eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts ausgestaltet sein muss, damit ein etwaiges Fristversäumnis tatsächlich unverschuldet ist und der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann.
Der Rechtsanwalt war in einem Berufungsverfahren im Zusammenhang mit einer Kapitalanlageberatung beauftragt worden. Er hatte wenige Tage vor Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung einen entsprechenden Schriftsatz gefertigt und unterschrieben. Den Schriftsatz hatte er mit der Handakte mit der Verfügung, den Schriftsatz am Tage des Fristablaufs vorab per Fax an das Berufungsgericht zu faxen und dann im Original zu übersenden, in einen speziellen „Eiltkorb“ gelegt, wobei kanzleiintern die Weisung bestand, dass solche Sachen im Eiltkorb vorrangig zu bearbeiten sind. Am Tage des Fristablaufs hatte die Mitarbeiterin des Sekretariats zwar die betreffende Frist gestrichen aber den Schriftsatz nicht versandt sondern lediglich in die Lasche der Handakte gelegt. Die Berufungsfrist wurde daher nicht eingehalten und die Berufung zurückgewiesen. Der Wiedereinsetzungsantrag hatte keinen Erfolg, weil das Gericht entschieden hatte, dass die Nichteinhaltung der Frist nicht unverschuldet gewesen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gilt für die Büroorganisation des Rechtsanwalts:
- Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss er nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmitteleinlegungs- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden, sondern er hat auch eine wirksame Ausgangskontrolle zu schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich hinausgehen.
- Bei einer Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden.
- Die Überprüfung des Sendeberichts kann lediglich dann entfallen, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzleiangestellten angewiesen hat, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen.
- Schließlich gehört zu einer wirksamen Fristenkontrolle auch eine Anordnung des Rechtsanwalts, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals abschließend selbständig geprüft wird.
- Diese allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze dient nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen im Fristenkalender noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben, sondern hat vielmehr auch den Zweck, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht. Deshalb ist dabei, gegebenenfalls anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind.
- Nur dann, wenn ein Rechtsanwalt für einen bestimmten Fall genaue Einzelanweisungen erteilt, die eine Fristwahrung gewährleisten, sind diese allein maßgeblich und kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen nicht mehr an.
- So ersetzt zum Beispiel die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich beim Empfänger durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle, so dass sich etwa hier bestehende Defizite nicht auswirken.
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Rechtsanwalt keine ausreichenden organisatorischen Maßnahmen getroffen. Den Darlegungen im Wiedereinsetzungsantrag ließ sich nicht entnehmen, dass eine Kanzleianweisung bestand, nach Übersendung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax die entsprechende Frist erst nach vorheriger Überprüfung des Sendeprotokolls zu streichen. Ebenso wenig ist eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten dargetan, die sicherstellte, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wurde. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde des Rechtsanwalts lag gerade keine hinreichend konkrete anwaltliche Einzelanweisung vor, die das Fehlen allgemeiner organisatorischer Regelungen ausgleichen könnte.
Festzuhalten bleibt demnach, dass sehr hohe Anforderungen an die Büroorganisation des Rechtsanwalts bestehen und Einzelweisungen nur unter engen Voraussetzungen die allgmeine Büroorganisation verdrängen. Im konkreten Fall war ein Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt gegeben.