BGH, Urt. v. 13.02.2020, IX ZR 140/20
1.Eine formularmäßige Vergütungsvereinbarung, welche eine Mindestvergütung des Rechtsanwalts in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung vorsieht, ist jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern wegen unangemessener Benachteiligung des Mandanten unwirksam, wenn das Mandat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mandanten betrifft und die Vergütungsvereinbarung zusätzlich eine Erhöhung des Gegenstandswerts um die Abfindung vorsieht.
2.Die formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars, welche den Rechtsanwalt berechtigt, für angefangene 15 Minuten jeweils ein Viertel des Stundensatzes zu berechnen, benachteiligt den Mandanten jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
3.Sieht eine Vergütungsvereinbarung ein Zeithonorar für Sekretariatstätigkeiten vor und eröffnet sie dem Rechtsanwalt die an keine Voraussetzungen gebundene Möglichkeit, statt des tatsächlichen Aufwands pauschal 15 Minuten pro Stunde abgerechneter Anwaltstätigkeit abzurechnen, gilt insoweit die gesetzliche Vergütung als vereinbart.
BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19
Zum Sachverhalt
Der Kl. beauftragte den beklagten Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber, der ihm den Abschluss eines Aufhebungsvertrags angeboten hatte. Der Kl. unterzeichnete eine Vollmacht, die Mandatsbedingungen des Bekl. sowie eine vorformulierte Vergütungsvereinbarung. Die Vergütungsvereinbarung lautete auszugsweise:
„§ 1. Vergütung. Die Vergütung berechnet sich nach dem Zeitaufwand der Kanzlei.
Für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts wird ein Vergütungssatz von 290 Euro pro Stunde zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer in Höhe von derzeit 19 % berechnet. Für Tätigkeiten des Sekretariats wird ein Stundensatz iHv 60 Euro vereinbart. Die Kanzlei ist berechtigt, die Tätigkeiten des Sekretariats pauschal mit 15 Minuten pro Stunde anwaltlicher Tätigkeit abzurechnen.
Erforderliche Reise-, Wege- und Wartezeiten gelten als Arbeitszeit. Die Abrechnung des Zeitaufwands erfolgt im 15-Minuten-Takt (0,25 Stunden). Für angefangene 15 Minuten wird jeweils ein Viertel des Stundensatzes berechnet.
Der Mandant erhält eine Abrechnung über den angefallenen Zeitaufwand.
Der Mandant schuldet in allen Fällen – Beratung, außergerichtliche und gerichtliche Vertretung – mindestens das Dreifache der gesetzlichen Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Eine Abfindung wird abweichend von der gesetzlichen Regelung dem Gegenstandswert hinzugerechnet.“
Der Bekl. verhandelte mit dem Arbeitgeber des Kl. Er erreichte den Abschluss eines Abwicklungsvertrags, nach welchem das Arbeitsverhältnis beendet wurde und der Kl. eine Abfindung von 10.000 Euro brutto sowie ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis erhielt. Der Arbeitgeber überwies insgesamt 9.875,99 Euro an den Bekl. Unter Hinweis auf die Vergütungsvereinbarung stellte der Bekl. dem Kl. Gebühren in Höhe der dreifachen gesetzlichen Gebühren iHv insgesamt 11.276,44 Euro in Rechnung. Der Rechnung liegt ein Gegenstandswert von 23.931,53 Euro zugrunde. Sie weist den dreifachen Satz einer 2,5-Geschäftsgebühr nach diesem Wert, den dreifachen Satz einer 1,5-Einigungsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer aus. Der Bekl. verrechnete das vereinnahmte Fremdgeld und forderte den Kl. zur Zahlung des seiner Ansicht nach noch offenen Betrags von 1.400,45 Euro auf.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kl. Zahlung von 9.875,99 Euro nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen verlangt. Der Bekl. hat Widerklage auf Zahlung von 1.400,45 Euro nebst Zinsen erhoben. Er hat hilfsweise Zeithonorar iHv zunächst 4.742,15 Euro, dann 5.173,53 Euro abgerechnet. Unter Anwendung der Zeitklausel hat er einen Aufwand von 25 Stunden und 15 Minuten behauptet und zusätzlich eine hierauf bezogene Sekretariatspauschale berechnet.
Das LG München I (Urt. v. 17.1.2018 –30 O 10072/16) hat den Bekl. unter Abweisung der Widerklage zur Zahlung von 8.495,59 Euro nebst Zinsen und zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen verurteilt. Das OLG München (Urt. v. 5.6.2019 – 15 U 319/18) hat den Bekl. unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von 8.334,54 Euro nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner vom BerGer. zugelassenen Revision verfolgte der Bekl. seine in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge auf Abweisung der Klage und Verurteilung des Kl. zur Zahlung von 1.400,45 Euro nebst Zinsen weiter. Die Revision blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen
9II. (…) Der Bekl. ist gem. § 675, BGB § 667 BGB zur Herausgabe des eingezogenen Fremdgeldes nebst Zinsen verpflichtet. Die Aufrechnung mit dem Honoraranspruch hat nur in der vom BerGer. errechneten Höhe zum Erlöschen dieses Anspruchs geführt (§ 387, BGB § 389 BGB). Der Honoraranspruch des Bekl. beträgt 1.541,45 Euro.
101. Die vom Bekl. vorformulierte und dem Kl. bei Abschluss des Beratungsvertrags gestellte Vergütungsvereinbarung unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB § 307 Absatz I, § 307 Absatz II Nr. BGB § 307 Absatz 1 Nummer 1 BGB.
11a) Die genannten Vorschriften gelten gem. § 307 BGB § 307 Absatz III 1 BGB für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzenden Regelungen vereinbart werden. Preisabreden, welche unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen, sind zwar grundsätzlich nach § 307 Absatz III BGB kontrollfrei (vgl. etwa BGH NJW-RR 2016 Seite 1387). Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Preise für eine zu erbringende Leistung durch eine gesetzliche Regelung vorgegeben werden. Das ist auch dann der Fall, wenn in den preisrechtlichen Bestimmungen keine starren Regelungen getroffen, sondern Gestaltungsmöglichkeiten geboten werden und für die Höhe des Entgelts ein Spielraum gewährt wird. In diesen Fällen hat der Gesetzgeber Leitlinien für die Preisgestaltung aufgestellt. Entgeltklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen können und müssen dann daraufhin überprüft werden, ob sie mit den Grundgedanken der Preisvorschriften übereinstimmen und sich in den von den Leitlinien gezogenen Grenzen halten, soll der vom Gesetzgeber mit dem Erlass der Preisvorschriften verfolgte Zweck nicht verfehlt werden (vgl. BGH NJW-RR 2015, NJW-RR Jahr 2015 Seite 181).
12b) Die Bestimmungen der Vergütungsvereinbarung weichen von den Vorschriften des RVG ab, welches eine gesetzliche Gebührenordnung darstellt (BGH NJW-RR 2015, NJW-RR Jahr 2015 Seite 181).
Gleichwohl wird teilweise vertreten, die Regelung der Gebührenhöhe im RVG sei als subsidiäres Recht kein Maßstab, an dem eine Vergütungsvereinbarung gemessen werden könne. Damit fehle es an der § 307 Absatz III BGB vorausgesetzten Abweichung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften. Wenn man eine Inhaltskontrolle nach § 307 Absatz I BGB vornehmen wolle, müsse man überdies den Bereich des § 34 RVG ausklammern, was jedoch zu unter Wertungsgesichtspunkten nicht gerechtfertigten Unterschieden zwischen einer Gebührenvereinbarung nach § 3 a RVG einerseits, nach § 34 RVG andererseits führe. Die gegenüber den § 305 ff. BGB speziellere Vorschrift des § 3A Absatz II RVG ermögliche zudem die Herabsetzung eines unangemessen hohen Honorars, so dass ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften gem. § 307 Absatz I, § 307 Absatz II Nr. BGB § 307 Absatz 1 Nummer 1 BGB nicht erforderlich sei (vgl. die Nachw. bei Staudinger/Weber, BGB, Neubearb. 2019, Anh. zu §§ 305–310 Rn. G 42).
13c) Die Einwände gegen eine Anwendbarkeit von § 307 Absatz I 1, BGB § 307 Absatz II BGB vermögen nicht zu überzeugen (ebenso iErg Staudinger/Weber, Anh. zu §§ 305–310 Rn. G 45 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 3 a Rn. 63). Die Vorschrift des § 3A Absatz II RVG lässt erkennen, dass die Rechtsanwaltsvergütung nur bedingt privatautonom vereinbart werden kann. Sie schließt weitergehende Kontrollen nach anderen gesetzlichen Bestimmungen nicht aus. Die Vorschriften des § RVG § 3 a RVG § 3A Absatz II RVG einerseits, des § BGB § 307 BGB § 307 Absatz I, BGB § 307 Absatz II BGB andererseits unterscheiden sich in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen. § RVG § 3 a RVG § 3A Absatz II RVG ermöglicht eine Kontrolle der Angemessenheit der vereinbarten Vergütung im Zeitpunkt der Abrechnung (BGH NJW-RR 2017, NJW-RR Jahr 2017 Seite 377 = WM 2017, WM Jahr 2017 Seite 827 Rn. WM Jahr 2017 Seite 827 Randnummer 29). Ist die Vergütung unangemessen hoch, wird sie im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt; zuvor ist ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle bezieht sich hingegen auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Vergütungsvereinbarung. Sie führt gegebenenfalls zur Unwirksamkeit der Vereinbarung und zur Anwendbarkeit der Vorschriften des RVG, nicht nur zur Herabsetzung der Vergütung auf ein noch vertretbares Maß. Diese Unterschiede sprechen dafür, beide Kontrollmechanismen nebeneinander anzuwenden (vgl. Staudinger/Weber, §§ 305–310 Rn. G 45).
14Das RVG regelt die Preise für anwaltliche Leistungen. Zwar erheben die in der Regel streitwertabhängigen gesetzlichen Gebühren nicht den Anspruch, das konkrete Mandat adäquat oder auch nur kostendeckend zu vergüten. Ihnen liegt vielmehr eine Konzeption zugrunde, nach der erst das Gebührenaufkommen des Rechtsanwalts in seiner Gesamtheit geeignet sein muss, sowohl seinen Kostenaufwand als auch seinen Lebensunterhalt abzudecken. Dies soll durch eine Mischkalkulation, also eine Quersubventionierung der weniger lukrativen durch gewinnträchtige Mandate, sichergestellt werden (BVerfGK 15, BVERFGK Jahr 15 Seite 559 = NJW-RR 2010, NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Rn. NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Randnummer 17). Als Maßstab für die Angemessenheit einer vereinbarten Vergütung sind sie daher nur bedingt geeignet (ähnlich BGH NJW-RR 2017, NJW-RR Jahr 2017 Seite 377 = WM 2017, WM Jahr 2017 Seite 827 Rn. WM Jahr 2017 Seite 827 Randnummer 19 zur Frage der Sittenwidrigkeit nach § BGB § 138 BGB). Das gilt jedoch nicht nur für eine Überprüfung nach § BGB § 307 BGB, sondern auch für eine solche nach § RVG § 3 a RVG § 3A Absatz II RVG (Staudinger/Weber, §§ 305–310 Rn. G 45). Insoweit ist es den Gerichten nicht schlechthin verwehrt, zur Bestimmung der Unangemessenheit auf die gesetzlichen Gebührentatbestände zurückzugreifen, denen eine faktische Leitbildfunktion zukommt
(BVerfGK 15, BVERFGK Jahr 15 Seite 559 = NJW-RR 2010, NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Rn. NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Randnummer 23, NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Randnummer 31). Das gilt jedenfalls, soweit das RVG Preisrecht enthält. Wie im Fall einer Gebührenvereinbarung nach § RVG § 34 RVG zu verfahren ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
152. Der Bekl. hat keinen Anspruch auf die in § 1 V der Vergütungsvereinbarung vorgesehene Mindestvergütung in Höhe des Dreifachen der nach dem erhöhten Gegenstandswert berechneten gesetzlichen Gebühren. Eine formularmäßige Vergütungsvereinbarung, welche eine Mindestvergütung des Rechtsanwalts in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung vorsieht, ist jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern wegen unangemessener Benachteiligung des Mandanten unwirksam, wenn das Mandat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mandanten betrifft und die Vergütungsvereinbarung zusätzlich eine Erhöhung des Gegenstandswerts um die Abfindung vorsieht (§ BGB § 307 BGB § 307 Absatz I, BGB § 307 Absatz II Nr. BGB § 307 Absatz 1 Nummer 1 BGB).
16a) Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. etwa BGH NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 3431 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 3431 Randnummer 21 mwN). Bewertungsmaßstab ist die Rechtslage nach dem Gesetzesrecht, von der die streitige Klausel abweicht. Eine unangemessene Benachteiligung ist gem. § BGB § 307 BGB § 307 Absatz II Nr. BGB § 307 Absatz 2 Nummer 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
17b) Diese Voraussetzungen hat das BerGer. zu Recht bejaht.
18aa) Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (BGHZ 148, BGHZ Band 148 Seite 74 = NJW 2001, NJW Jahr 2001 Seite 2635 [NJW Jahr 2001 2637] unter III 2 b). Für die im RVG geregelten Anwaltsgebühren gilt dies wegen des oben unter II 1 c beschriebenen Prinzips der Quersubventionierung nicht uneingeschränkt. Bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt, angemessen sein. Umgekehrt kann bei hohen Streitwerten unter Umständen schon aus der Überschreitung der gesetzlichen Gebühren auf ein auffälliges oder besonders grobes Missverhältnis geschlossen werden, wenn die Tätigkeit des Anwalts bereits durch die gesetzlichen Gebühren angemessen abgegolten wäre (BGH NJW-RR 2017, NJW-RR Jahr 2017 Seite 377 = WM 2017, WM Jahr 2017 Seite 827 Rn. WM Jahr 2017 Seite 827 Randnummer 20 mwN zu § BGB § 138 BGB).
19bb) Eine formularmäßig vereinbarte Mindestvergütung in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Gebühren unabhängig von der Höhe des Streitwerts und vom Umfang und von der Schwierigkeit des Mandats ist schon für sich genommen bedenklich, weil sie das Interesse des Mandanten, nicht mit einer außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehenden Gebührenforderung überzogen zu werden, völlig außer Acht lässt. Darauf, dass die Berufsausübungsfreiheit gem. Art. GG Artikel 12 GG auch das Recht umfasst, das Entgelt für berufliche Leistungen frei mit den Interessenten auszuhandeln (vgl. BVerfGK 15, BVERFGK Jahr 15 Seite 559 = NJW-RR 2010, NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Rn. NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Randnummer 11), kann sich der Anwalt im Fall einer einseitig gestellten, von ihm vorformulierten Vergütungsvereinbarung nicht berufen. Der in einer vertraglichen Vereinbarung zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt im Grundsatz auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, der grundsätzlich zu respektieren ist und weder aus Gründen des Mandantenschutzes noch zur Wahrung des Vertrauens in die Integrität der Anwaltschaft der Abänderung bedarf (BVerfGK 15, BVERFGK Jahr 15 Seite 559 = NJW-RR 2010, NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Rn. NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Randnummer 27). Bei einseitig gestellten Vertragsbedingungen findet ein derartiger Interessenausgleich nicht statt. Der Mandant hat in einem solchen Fall keinen Einfluss auf den Inhalt der Vergütungsvereinbarung, damit keine Möglichkeit, sein Interesse daran, nicht mit überhöhten Vergütungsansprüchen überzogen zu werden, einzubringen und zu wahren.
20cc) Jedenfalls in Verbindung mit der Klausel über die Erhöhung des Gegenstandswerts benachteiligt die Klausel über die Verdreifachung der gesetzlichen Gebühren die betroffenen Verbraucher unangemessen.
21(1) Die Anknüpfung der Gerichts- und Anwaltsgebühren an den Gebührenstreitwert (§ RVG § 13 RVG) dient dem Ziel, die Gebühren von der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Prozessparteien abhängig zu machen (BAG NZA 2015, NZA Jahr 2015 Seite 1471 Rn. NZA Jahr 2015 Seite 1471 Randnummer 11). Bei Mandaten mit geringem Streitwert wird dem Rechtsanwalt ein geringerer Verdienst in der Erwartung eines Ausgleichs durch Mandate mit einem höheren Streitwert zugemutet, damit der Mandant nicht durch außer Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit stehende Gebühren von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung abgehalten wird. Der Mandantenschutz zählt als Ausprägung des allgemeinen Verbraucherschutzes zu den schutzwürdigen Gemeinwohlbelangen, die einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts rechtfertigen (BVerfGK 15, BVERFGK Jahr 15 Seite 559 = NJW-RR 2010, NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Rn. NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Randnummer 19 f.).
22(2) Die hier einschlägige Vorschrift des § GKG § 42 GKG § 42 Absatz II 1 Hs. 2 GKG schränkt die Anwaltsgebühren im Interesse des Mandanten ein. Nach § GKG § 42 GKG § 42 Absatz II 1 Hs. 2 GKG ist für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend. Eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Für anwaltliche Tätigkeiten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gilt die genannte Vorschrift gem. § RVG § 23 RVG § 23 Absatz I 3 RVG entsprechend. Damit werden die Kosten eines Rechtsstreits und einer streitigen außergerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Verhältnis zu den allgemeinen Vorschriften der §§ ZPO § 2, ZPO § 9 ZPO aus sozialen Gründen niedrig gehalten (vgl. etwa LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2015, NZA-RR Jahr 2015 Seite 440 [NZA-RR Jahr 2015 441]; OLG Karlsruhe NJOZ 2015, NJOZ Jahr 2015 Seite 1807 Rn. NJOZ Jahr 2015 Seite 1807 Randnummer 24; LAG Düsseldorf Beschl. v. 25.11.2016 – LAGDUESSELDORF Aktenzeichen 4TA63416 4 Ta 634/16, BeckRS 2016, BECKRS Jahr 110943 Rn. BECKRS Jahr 2016 Randnummer 29). Streitigkeiten, bei denen es regelmäßig um die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Arbeitnehmers geht, sollen kostenmäßig besonders günstig gestaltet werden (LAG Baden-Württemberg Beschl. v. 15.11.2013 – LAGBADENWUERTTEMBERG Aktenzeichen 12SA1513 12 Sa 15/13, BeckRS 2014, BECKRS Jahr 65949; LAG Köln Beschl. v. 10.11.2015 – LAGKOELN Aktenzeichen 11TA33615 11 Ta 336/15, BeckRS 2016, BECKRS Jahr 66107 Rn. BECKRS Jahr 2016 Randnummer 2). Die Begrenzung des Gebührenstreitwerts für Bestandsschutzstreitigkeiten soll verhindern, dass Arbeitnehmer aus Furcht vor hohen Gebühren darauf verzichten, den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses zu verteidigen (LAG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 14.6.2019 – LAGBERLINBRANDENBURG Aktenzeichen 26TAKOST611418 26 Ta [Kost] 6114/18, BeckRS 2019, BECKRS Jahr 14670 Rn. BECKRS Jahr 2019 Randnummer 14).
23(3) Die in § 1 VI der Vergütungsvereinbarung vorgesehene Hinzurechnung der auszuhandelnden Abfindung zum Gegenstandswert führt zu einer wesentlichen Erhöhung des Mindesthonorars unabhängig von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und unabhängig vom Interesse des Mandanten, nicht mehr als ein angemessenes Honorar zahlen zu müssen. Sie widerspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, dem Arbeitnehmer in einer für ihn schwierigen Lage
Rechtsschutz und rechtlichen Beistand zu verträglichen Bedingungen zu ermöglichen. Auf welcher Grundlage letztendlich abgerechnet werden wird, hängt vom Ergebnis der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ab, ist aus Sicht des Mandanten also bei Abschluss des Vertrags nicht zu erkennen. Hinzu kommt die Verdreifachung der gesetzlichen Gebühren. Eine Vervielfachung des Gebührensatzes führt, wie gezeigt, eher bei geringen als bei hohen Streitwerten zu angemessenen Ergebnissen. Die Vergütungsvereinbarung sieht demgegenüber sowohl eine im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bestimmte Erhöhung des Gegenstandswerts als auch eine Vervielfachung der gesetzlichen Gebühren vor. Sie dient damit einseitig, ohne jede Rücksicht auf die Interessen des Mandanten, der Optimierung der Anwaltsvergütung. Mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen die Vergütungsvereinbarung abweicht, insbesondere mit der Abhängigkeit der Vergütung von der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für den Mandanten, ist dies nicht mehr zu vereinbaren.
243. Der Bekl. kann, wie in § 1 II der genannten Vereinbarung vorgesehen, ein Zeithonorar iHv 290 Euro zuzüglich der Umsatzsteuer pro Arbeitsstunde verlangen. Er darf jedoch nur die tatsächlich aufgewandte Arbeitszeit abrechnen. Die Bestimmung in § 1 III der Vergütungsvereinbarung über die Abrechnung im 15-Minuten-Takt für jede angefangene Viertelstunde ist jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern ebenfalls gem. § BGB § 307 BGB § 307 Absatz I, BGB § 307 Absatz II Nr. BGB § 307 Absatz 1 Nummer 1 BGB unwirksam.
25a) Die Unwirksamkeit der Bestimmung über die Mindestvergütung führt nicht zur Unwirksamkeit der übrigen Bestimmungen in § 1 der Vergütungsvereinbarung.
26aa) Gemäß § BGB § 306 BGB § 306 Absatz I BGB bleibt der Vertrag dann, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen teilweise unwirksam sind, im Übrigen rechtsbeständig. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit ihre Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (blue-pencil-test). Ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (BGH NJW 2014, NJW Jahr 2014 Seite 141 Rn. NJW Jahr 2014 Seite 141 Randnummer 14 mwN).
27bb) Die Bestimmungen in § 1 I, II, III und IV der Vergütungsvereinbarung über die Abrechnung nach Zeitaufwand sind von der (unwirksamen) Bestimmung in § 1 V über die Mindestvergütung unabhängig. Sie bestehen daher fort. Entgegen Schons (AnwBl 2019, ANWBL Jahr 2019 Seite 491) unterfällt die Vergütungsvereinbarung insoweit auch nicht der Vorschrift des § RVG § 4 RVG § 4 Absatz III 2 RVG mit der Folge, dass die gesetzliche Vergütung als vereinbart gilt. Sie überlässt die Abrechnungsart nicht dem Ermessen des Bekl., sondern sieht eine Abrechnung nach Stundensätzen und eine Mindestvergütung vor. Damit lässt sich anhand objektiver Kriterien bestimmen, wie die geschuldete Vergütung zu berechnen ist.
28b) Die in § 1 III der Vergütungsvereinbarung vorgesehene Abrechnung im 15-Minuten-Takt benachteiligt den Mandanten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
29aa) Ob die formularmäßige Vereinbarung eines 15-Minuten-Takts einer Inhaltskontrolle nach § BGB § 307 BGB standhält, hat der Senat bisher offengelassen (BGH AnwBl 2009, ANWBL Jahr 2009 Seite 554 = BeckRS 2009, BECKRS Jahr 9077; NJW 2011, NJW Jahr 2011 Seite 63 Rn. NJW Jahr 2011 Seite 63 Randnummer 19). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Fachliteratur sind die Ansichten geteilt.
30(1) Soweit die entsprechende Klausel für wirksam gehalten wird, wird vor allem auf die wirklich oder vermeintlich ähnlichen Vorschriften des § STBGEBV § 13 S. 2 StBVV und des § JVEG § 8 JVEG § 8 Absatz II 2 JVEG Bezug genommen.
§ JVEG § 8 JVEG § 8 Absatz II 2 JVEG sehe für die Berechnung der Vergütung von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern vor, dass die letzte begonnene Stunde voll zu vergüten sei, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich gewesen sei; anderenfalls betrage die Vergütung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags. Nach § STBGEBV § 13 StBVV sei für die dort genannten Tätigkeiten jede angefangene halbe Stunde mit einem Stundensatzrahmen von 30–70 Euro zu vergüten. Diese gesetzliche Regelung stimme in ihrer Systematik mit einer Zeittaktklausel in einer anwaltlichen Vergütungsvereinbarung überein. Eine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, wie § BGB § 307 BGB § 307 Absatz II Nr. BGB § 307 Absatz 2 Nummer 1 BGB sie voraussetze, liege daher nicht vor (OLG München Urt. v. 11.8.2014 – OLGMUENCHEN Aktenzeichen 15U296012 15 U 2960/12, BeckRS 2014, BECKRS Jahr 123857 Rn. BECKRS Jahr 2014 Randnummer 127 mwN; D. Fischer in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Pape/Chab, HdB der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 2 Rn. 462). Überdies seien entsprechende Vereinbarungen üblich. Dem berechtigten Interesse des Mandanten, nur den tatsächlich für die Bearbeitung seines Mandats anfallenden Aufwand bezahlen zu müssen, stehe das ebenso berechtigte Interesse des Rechtsanwalts gegenüber, eine angemessene Vergütung auch in Fällen zu erhalten, in denen er durch Tätigkeiten, die weniger als eine Viertelstunde dauerten, etwa durch ein Telefongespräch, aus der Sachbearbeitung eines anderen Mandats herausgerissen werde und sich nach Erledigung der Tätigkeit für den Mandanten wieder neu in die vorher begonnene Angelegenheit einarbeiten müsse. Die 15-Minuten-Klausel stelle einen sachgerechten und ausgewogenen Ausgleich zwischen den beiderseitigen Interessen des Mandanten und des Rechtsanwalts dar (OLG München Urt. v. 11.8.2014 – OLGMUENCHEN Aktenzeichen 15U296012 15 U 2960/12, BeckRS 2014, BECKRS Jahr 123857 Rn. BECKRS Jahr 2014 Randnummer 127 mwN).
31(2) Gegen die Wirksamkeit einer Zeittaktklausel wird insbesondere eine hierdurch bewirkte Änderung des Preis-Leistungs-Verhältnisses eingewandt. Aufgrund einer solchen Klausel werde einerseits jegliche Tätigkeit des Rechtsanwalts, die nur wenige Minuten oder gar Sekunden in Anspruch nehme, etwa ein kurzes Telefonat, Anweisungen an das Personal, kurze Rückfragen, das Lesen einfacher und kurzer Texte, im Zeittakt von jeweils 15 Minuten vergütet, andererseits auch jede länger andauernde Tätigkeit, die den jeweiligen Zeitabschnitt von 15 Minuten auch nur um Sekunden überschreite. Die Klausel sei zudem nicht auf eine einmalige Anwendung, etwa am Ende eines Arbeitstags, beschränkt, sondern könne mehrmals täglich angewandt werden. Sie ermögliche zudem – etwa bei Entgegennahme eines kurzen Ferngesprächs während der Bearbeitung eines anderen Mandats – die Abrechnung der jeweiligen Viertelstunde zulasten beider Mandanten. Da ein Rechtsanwalt bei seiner täglichen Arbeit in der Regel mehrere Mandate bearbeite, entstünden stets, wiederholt und auch mehrmals täglich Zeitintervallfraktionen, die in allen bearbeiteten Mandaten abgerechnet werden könnten (OLG Düsseldorf NJOZ 2010, NJOZ Jahr 2010 Seite 1490 = FamRZ 2010, FAMRZ Jahr 2010 Seite 1184 mwN).
32bb) Der Senat entscheidet die genannte Streitfrage dahin, dass eine formularmäßig vereinbarte 15-Minuten-Zeittaktklausel gem. § BGB § 307 BGB § 307 Absatz I 1, BGB § 307 Absatz II Nr. BGB § 307 Absatz 1 Nummer 1 BGB jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern unwirksam ist.
33(1) Der Mandant ist beim Abschluss von anwaltlichen Vergütungsvereinbarungen typischerweise in besonderem Maße schutzbedürftig. Bei dem Vertragsgegenstand der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten (§ BRAO § 3 BRAO § 3 Absatz I BRAO) handelt es sich um eine immaterielle Leistung, deren Wert er kaum ermessen kann. Hinzu kommt die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Mandant und Rechtsanwalt hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Rechtssache sowie des zu ihrer sachgerechten und möglichst erfolgreichen Betreuung erforderlichen Aufwands. Wie viel Zeit der Rechtsanwalt tatsächlich aufwendet, sieht der Mandant nicht. Dem unredlichen Rechtsanwalt eröffnen sich umfangreiche Missbrauchsmöglichkeiten (BVerfGK 15, BVERFGK Jahr 15 Seite 559 = NJW-RR 2010, NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Rn. NJW-RR Jahr 2010 Seite 259 Randnummer 20; BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 209 = NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1364 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1364 Randnummer 77). Eine – auch formularmäßig vereinbarte – Abrechnung nach dem Zeitaufwand wird hierdurch zwar nicht ausgeschlossen. Der Senat hat die individualvertragliche Vereinbarung eines Stundenhonorars bisher für unbedenklich gehalten, wenn diese Honorarform unter Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls sachgerecht erschien und die geltend gemachte Bearbeitungszeit sowie der ausgehandelte Stundensatz angemessen erschien (vgl. etwa BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 209 = NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1364 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1364 Randnummer 73). Nichts anderes gilt im Grundsatz für die Vereinbarung eines Zeithonorars in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ein Zeithonorar, welches zusätzlich eine Abrechnung nach mehr oder weniger großen Zeitintervallen vorsieht, führt jedoch zu einer noch größeren Gefährdung der Interessen des Mandanten.
34(2) Es gibt durchaus gute Gründe für eine Abrechnung nach Zeittakten. Der Rechtsanwalt, der etwa durch einen Anruf oder eine Rückfrage eines Angestellten in seiner Arbeit gestört wird, muss sich erst wieder einarbeiten, wenn er sich nach Ende der Unterbrechung erneut seiner eigentlichen Arbeit zuwendet. Das kostet Zeit. Eine Zeittaktklausel bietet dem Mandanten überdies einen Anreiz, Rückfragen und Bemerkungen möglichst geordnet und gesammelt zu übermitteln und den Rechtsanwalt nicht unnötig durch wiederholte E-Mails oder Anrufe in seiner Arbeit zu unterbrechen (vgl. Staudinger/Weber, Anh zu §§ 305–310 Rn. G 59). Dem stehen jedoch die berechtigten Interessen des Mandanten gegenüber, nur diejenige Arbeitszeit zu bezahlen, die der Rechtsanwalt tatsächlich auf seine, des Mandanten, Angelegenheit verwandt hat. Welcher Zeittakt angesichts dessen noch vertretbar wäre, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Ein Zeittakt von 15 Minuten, der auch durch die belanglosesten Tätigkeiten des Rechtsanwalts ausgelöst wird und beliebig oft zur Anwendung gebracht werden kann, ist keinesfalls gerechtfertigt. Sie würde es dem Rechtsanwalt zum Beispiel ermöglichen, die auch nur flüchtige Durchsicht des E-Mail-Eingangsfachs in jeder Angelegenheit, in der eine E-Mail eingegangen ist, mit einem Viertel des vereinbarten Stundensatzes in Ansatz zu bringen. Auch Unterbrechungen, die ohne äußeren Anlass auf der eigenen Entschließung des Anwalts beruhen, könnten den Zeittakt neu beginnen lassen und zu einer Vervielfachung der Vergütung führen. Hier zeigt sich erneut die einseitige Bevorzugung des Interesses des Rechtsanwalts an einer möglichst hohen Vergütung unter Missachtung der Interessen des Mandanten, nicht mehr als eine angemessene Vergütung für die Dienste des Rechtsanwalts bezahlen zu müssen.
35(3) Die Vorschriften des § STBGEBV § 13 S. 2 StBVV und des § JVEG § 8 JVEG § 8 Absatz II 2 JVEG stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Vorschrift des § STBGEBV § 13 STBGEBV § 13 Absatz II StBVV in der Fassung vom 11.12.2012 erlaubt es dem Steuerberater, für bestimmte – nicht alle – Tätigkeiten eine Zeitgebühr zwischen 30 und 70 Euro je angefangener halber Stunde zu liquidieren. Diese Sätze liegen deutlich unter denjenigen, die Rechtsanwälte bei Vereinbarung eines Stundenhonorars üblicherweise in Rechnung stellen, und gelten zudem nicht für jegliche Tätigkeit des Steuerberaters (vgl. etwa OLG Düsseldorf NJOZ 2010, NJOZ Jahr 2010 Seite 1490 = FamRZ 2010, FAMRZ Jahr 2010 Seite 1184 [FAMRZ Jahr 2010 1185]). § JVEG § 8 JVEG § 8 Absatz II JVEG sieht vor, dass die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war. Anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags. Es wird also nur die letzte angefangene Stunde aufgerundet. Mit der Möglichkeit, ständig kleinste Zeiteinheiten mit einem Viertel des vereinbarten Stundensatzes abzurechnen, ist das nicht zu vergleichen.
364. Die Unwirksamkeit der 15-Minuten-Zeittaktklausel lässt die Wirksamkeit der Vereinbarung des Zeithonorars unberührt (§ BGB § 306 BGB § 306 Absatz I BGB). Das Zeithonorar und die Zeittaktklausel hängen nicht untrennbar zusammen. Die Abrechnung des tatsächlichen Aufwands nach dem vereinbarten Stundensatz ist ohne Weiteres möglich. Der Bekl. kann also den tatsächlichen Aufwand zu dem vereinbarten Stundensatz von 290 Euro netto abrechnen. Der Höhe nach kann der Bekl. einen Aufwand von insgesamt 268 Minuten vergütet verlangen.
37a) Soweit ein Rechtsanwalt Ansprüche aus einer Zeitvergütung herleitet, trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die berechnete Vergütung tatsächlich entstanden ist. Im Fall eines vereinbarten Zeithonorars muss die naheliegende Gefahr ins Auge gefasst werden, dass dem Mandanten der tatsächliche zeitliche Aufwand des Anwalts verborgen bleibt und ein unredlicher Anwalt deshalb ihm nicht zustehende Zahlungen beansprucht. Deshalb erfordert eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitraums getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden. Eine nähere Substanziierung ist unverzichtbar, weil die für die Bearbeitung des Mandats aufgewandte Arbeitszeit tatsächlich kaum kontrolliert werden kann (BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 209 = NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1364 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1364 Randnummer 77; vgl. auch Beschl. v. 11.12.2014 – BGH Aktenzeichen IXZR17713 IX ZR 177/13, BeckRS 2014, BECKRS Jahr 23593 Rn. BECKRS Jahr 2014 Randnummer 2 mwN).
Insoweit ist etwa anzugeben, welche Akten und Schriftstücke durchgesehen wurden, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt oder zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde. Nicht genügend sind allgemeine Hinweise auf Aktenbearbeitung, Literaturrecherche und Telefongespräche, weil sie jedenfalls bei wiederholter Verwendung inhaltsleer sind und ohne die Möglichkeit einer wirklichen Kontrolle geradezu beliebig ausgeweitet werden können (BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 209 = NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1364 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1364 Randnummer 79). Grundsätzlich gilt der Maßstab des § ZPO § 286 ZPO.
38Zu prüfen ist außerdem, ob die nachgewiesenen Stunden in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang und Schwierigkeiten der Sache stehen. Damit soll einer unvertretbaren Aufblähung der für die Sache aufzuwendenden Arbeitszeit zum Nachteil des Mandanten vorgebeugt werden. Es geht nicht darum, dem Rechtsanwalt bindend vorzugeben, in welchem Zeitraum ein Mandat zu bearbeiten ist. Jeder Rechtsanwalt arbeitet anders. Trotzdem darf der zu vergütende zeitliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit stehen. Schaltet der Mandant etwa einen Spezialisten ein, darf er grundsätzlich davon ausgehen, dass die Sache innerhalb eines üblichen Zeitrahmens erledigt wird, wenn es sich um einen Routinefall und nicht um einen besonders gelagerten, komplexen und unübersichtlichen Einzelfall handelt (BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 209 = NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1364 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1364 Randnummer 84 f.).
39Die Feststellungen zum Umfang der abgerechneten Tätigkeit und die Angemessenheitsprüfung obliegen in erster Linie dem Tatrichter (BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 209 = NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1364 Rn. NJW Jahr 2010 Seite 1364 Randnummer 85). Sie sind für das RevGer. gem. § ZPO § 559 ZPO § 559 Absatz II ZPO grundsätzlich bindend. Die revisionsgerichtliche Kontrolle der zum Umfang der abgerechneten Tätigkeiten getroffenen Feststellungen beschränkt sich allgemeinen Grundsätzen zufolge darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § ZPO § 286 ZPO umfassend und widerspruchsfrei mit dem Prozessstoff auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. etwa BGH NJW-RR 2018, NJW-RR Jahr 2018 Seite 432 = WM 2018, WM Jahr 2018 Seite 433 Rn. WM Jahr 2018 Seite 433 Randnummer 12). Revisionsrechtlich nachprüfbar ist weiter, ob der Tatrichter zu hohe Anforderungen an den Grad der richterlichen Überzeugung gestellt hat. Das Ergebnis der Prüfung, ob der nachgewiesene zeitliche Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang und Schwierigkeiten der Sache steht, kann revisionsrechtlich ebenfalls nur eingeschränkt überprüft werden, denn es beruht wesentlich auf einer Würdigung des Tatrichters. Das RevGer. prüft daher ebenfalls nur, ob diese Würdigung möglich und in sich widerspruchsfrei ist, den Prozessstoff vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze verstößt.
40 b) Das BerGer. ist von den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung ausgegangen. Es hat die Parteien angehört, die von den Parteien vorgelegten Unterlagen gesichtet und auf dieser Grundlage jede einzelne vom Bekl. abgerechnete Tätigkeit daraufhin überprüft, ob ihre Dauer angemessen ist. Revisionsrechtlich erhebliche Fehler sind ihm daraufhin nicht unterlaufen. Das gilt auch, soweit die Revision die Kürzungen für „kleinlich“ hält. Der Einwand der Revision, das BerGer. habe nicht hinreichend zwischen der Feststellung des jeweiligen Aufwands und der Angemessenheitsprüfung unterschieden, ist im Ergebnis ebenfalls unberechtigt. Hätte das BerGer. einen zeitlichen Aufwand des Bekl. anerkannt, der angemessen war, aber nicht festgestellt worden ist, würde hierdurch nur der Kl., nicht aber der Bekl. beschwert.
415. Der Bekl. hat schließlich keinen Anspruch auf die in § 1 II 2 und 3 der Vergütungsvereinbarung vorgesehene Pauschale für die Tätigkeiten des Sekretariats.
42a) Gemäß § RVG § 4 RVG § 4 Absatz III 2 RVG gilt die gesetzliche Vergütung als vereinbart, wenn die Festsetzung der Vergütung dem Ermessen eines Vertragsteils überlassen wird. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach § 1 II 3 der Vergütungsvereinbarung war der Bekl. berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Tätigkeiten des Sekretariats pauschal abzurechnen. Dies folgt aus einer Auslegung der genannten Bestimmungen der Vergütungsvereinbarung, die der Senat selbst vorzunehmen hat.
43aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut. Legen die Parteien allerdings der Klausel übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung bei, ist diese maßgeblich. Sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, kommt die sich zulasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § BGB § 305 c BGB § 305C Absatz II BGB zur Anwendung. Hierbei bleiben allerdings Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen (BGH NJW-RR 2019, NJW-RR Jahr 2019 Seite 1202 = WM 2019, WM Jahr 2019 Seite 2273 Rn. WM Jahr 2019 Seite 2273 Randnummer 20).
44bb) § 1 II 2 der Vergütungsvereinbarung sieht für Tätigkeiten des Sekretariats einen Stundensatz von 60 Euro vor. Im folgenden Satz heißt es, der Bekl. sei berechtigt, die Tätigkeiten des Sekretariats pauschal mit 15 Minuten pro abgerechneter Stunde anwaltlicher Tätigkeit abzurechnen. Unter welchen Voraussetzungen der Bekl. die Pauschale oder aber den tatsächlichen Aufwand in Rechnung stellen darf, ist nicht geregelt. Danach kann der Bekl. frei entscheiden, welche Abrechnungsmethode er wählt. Wer zu einem bestimmten Verhalten, hier: einer bestimmten Art der Abrechnung, berechtigt ist, ist hierzu gerade nicht verpflichtet. Dass die Parteien dies übereinstimmend anders gesehen hätten, hat der Bekl. nicht behauptet.
45b) Die Revision meint allerdings, die Sekretariatspauschale habe in jedem Fall abgerechnet werden sollen. Dies sei lediglich sprachlich abweichend zum Ausdruck gekommen. Dies trifft nicht zu. Ihrem klaren Wortlaut nach berechtigt die Klausel den Bekl. zu einer pauschalen Abrechnung der Sekretariatstätigkeiten, verpflichtet ihn hierzu jedoch nicht. Wollte man dies anders sehen, gäbe es also zwei rechtlich vertretbare Auslegungsergebnisse, änderte sich im Ergebnis nichts. Dann wäre gem. § BGB § 305 c BGB § 305C Absatz II BGB die kundenfeindlichste Auslegung maßgeblich, diejenige Auslegung also, die zur Unwirksamkeit der Klausel und zur Anwendung des dispositiven Rechts führte. Das gilt nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung des BGH für die Inhaltskontrolle einer mehrdeutigen Allgemeinen Geschäftsbedingung nicht nur im Verbandsprozess, sondern auch im Individualprozess (vgl. etwa BGH NJW 2013, NJW Jahr 2013 Seite 2505 Rn. NJW Jahr 2013 Seite 2505 Randnummer 20 mwN; NJW-RR 2019, NJW-RR Jahr 2019 Seite 721 = MDR 2019, MDR Jahr 2019 Seite 215 Rn. MDR Jahr 2019 Seite 215 Randnummer 19). Auch in diesem Fall unterfiele die Klausel also § RVG § 4 RVG § 4 Absatz III 2 RVG. Nach den Vorschriften des RVG können Sekretariatsstunden dem Mandanten nicht gesondert in Rechnung gestellt werden.
466. Nicht geprüft hat der Senat, ob der Bekl. verpflichtet gewesen wäre, den Kl. vor Abschluss des Beratungsvertrags auf die Höhe der nach der vorgeschlagenen Vergütungsvereinbarung voraussichtlich entstehenden Gebührenansprüche hinzuweisen. Aus besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren, etwa wenn die Höhe der vom Auftraggeber zu zahlenden Gebühren das von ihm verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos macht (vgl. BGH NJW 2007, NJW Jahr 2007 Seite 2332 = WM 2007, WM Jahr 2007 Seite 1390 Rn. WM Jahr 2007 Seite 1390 Randnummer 10 mwN). Im Fall einer Vergütungsvereinbarung, wie sie der Bekl. verwendet, liegt eine Hinweispflicht nahe. Die Annahme des BerGer., das für den Kl. unbefriedigende wirtschaftliche Ergebnis der Beauftragung des Bekl. sei bei Vertragsschluss nicht absehbar gewesen, erscheint zweifelhaft, wie die Berechnungen der Revisionserwiderung zeigen. Im Ergebnis kommt es auf diese Frage jedoch nicht an. Die Revision ist schon deshalb zurückzuweisen, weil die Vergütungsvereinbarung in dem vom BerGer. angenommenen Umfang gem. § BGB § 307 BGB unwirksam ist.