BGH, Urt. v. 22.8.2018, VIII ZR 277/16
Renovierungsklausel des Vermieters und Abrede zwischen Alt- und Neumieter
Im Fall einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung hält die formularvertragliche Überwälzung der nach der gesetzlichen Regelung (§ 535 Absatz I 2 BGB) den Vermieter treffenden Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Absatz I 1, Absatz II Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt, der ihn so stellt, als habe der Vermieter ihm eine renovierte Wohnung überlassen. Eine allein zwischen dem bisherigen und dem neuen Mieter getroffene Renovierungsvereinbarung vermag – mit Rücksicht darauf, dass die Wirkungen eines Schuldverhältnisses grundsätzlich auf die daran beteiligten Parteien beschränkt sind – daran nichts zu ändern.
BGH, Urteil vom 22.8.2018 – VIII ZR 277/16
Zum Sachverhalt
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz (nur noch) darum, ob die Kl. berechtigt ist, vom Bekl. wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen Schadensersatz zu verlangen. Mit von der Kl. verwendetem Formularmietvertrag vom 10.11.2008 (MV) mietete der Bekl. von der Kl. im Rahmen eines genossenschaftlichen Nutzungsverhältnisses, auf das die mietrechtlichen Vorschriften des BGB Anwendung finden, eine Erdgeschosswohnung an. Als Nutzungsbeginn ist der 1.1.2009 vereinbart. Der Vertrag enthält unter anderem folgende Regelung (auszugsweise):
§ 4. Schönheitsreparaturen. (1) Die Schönheitsreparaturen sind vom Mitglied auszuführen. (…)
(3) Schönheitsreparaturen sind fachgerecht auszuführen. Die Schönheitsreparaturen umfassen das Anstreichen oder Kalken oder Tapezieren der Wände und Decken, und den Innenanstrich der Fenster, das Streichen der Türen und der Außentüren von Innen sowie der Heizkörper einschließlich der Heizrohre.
Die Schönheitsreparaturen sind in der Regel nach Ablauf folgender Zeiträume auszuführen:
- –in Küchen, Bädern und Duschen alle fünf Jahre. Dabei sind die Innenanstriche der Fenster sowie die Anstriche der Türen, Heizkörper und Heizrohre spätestens alle acht Jahre durchzuführen,
- –in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten, einschließlich der Innenanstriche der Fenster sowie der Anstriche der Türen, Heizkörper und Heizrohre alle acht Jahre,
- –in anderen Nebenräumen einschließlich der Innenanstriche der Fenster sowie der Anstriche der Türen, Heizkörper und Heizrohre alle zehn Jahre.
Die Fristen beginnen erstmals mit Beginn der Nutzungszeit. (…)
(4) Lässt der Zustand der Wohnung eine Verlängerung der nach Absatz 3 vereinbarten Fristen zu oder erfordert der Grad der Abnutzung eine Verkürzung, so sind nach billigem Ermessen die Fristen des Plans bezüglich der Durchführung einzelner Schönheitsreparaturen zu verlängern oder zu verkürzen.
Der Bekl. kam mit der Vormieterin A, die die Wohnung von der Kl. im Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2008 angemietet hatte, überein, verschiedene von der Vormieterin in die Wohnung eingebrachte Gegenstände (ua einen Teppichboden) gegen Zahlung einer nicht näher festgestellten Geldsumme zu übernehmen. Weiter erklärte sich der Bekl. aufgrund einer Vereinbarung mit der Vormieterin bereit, an deren Stelle die erforderlichen Schönheitsreparaturen durchzuführen. Am 22.12.2008 wurde dem Bekl. die Wohnung von einem Vertreter der Kl. in nicht renoviertem Zustand übergeben; die Wohnung wies zu diesem Zeitpunkt Gebrauchsspuren der Vormieterin A auf. Das von einem Vertreter der Kl. gefertigte Übergabeprotokoll vom 22.12.2008 enthält folgenden handschriftlichen, vom Bekl. unterschriebenen Passus:
„Die Wohnung wurde mängelfrei und ohne Stockflecken übernommen. Renovierungsarbeiten und Tebo werden übernommen. Auf Folgekosten wurde hingewiesen.“
Aufgrund Kündigung des Bekl. endete das Mietverhältnis zum 28.2.2014. Im Rahmen einer Wohnungsbegehung am 6.1.2014 wurde festgestellt, dass Anstricharbeiten an Decken, Wänden, Türen, Türrahmen und Heizkörpern erforderlich waren. Die Kl. forderte den Bekl. auf, diese Arbeiten durchzuführen. Der Bekl. gab die Wohnung am 14.2.2014 zurück. Noch am selben Tag übergab die Kl. die Wohnung an eine Nachmieterin. Die seitens des Bekl. bis dahin durchgeführten Anstricharbeiten waren nicht deckend, sondern streifig. Nachbesserungsarbeiten verliefen nicht zur Zufriedenheit der Kl. Nachdem der Bekl. weitere Arbeiten ablehnte, wurden diese durch einen von der Kl. beauftragten Malerfachbetrieb zu Kosten iHv 799,89 Euro durchgeführt.
Am Ende des Mietverhältnisses bestand zugunsten des Bekl. ein Genossenschaftsguthaben iHv 1200 Euro, worauf die Kl. einen Betrag von 600,92 Euro ausgezahlt hat. Ferner standen dem Bekl. eine Genossenschaftsdividende iHv 35,34 Euro für das Jahr 2013 sowie Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung 2013 iHv 245,35 Euro und der Nebenkostenabrechnung für 2014 iHv 48,87 Euro zu. Wegen der Beschädigung eines Waschbeckens stand der Kl. ein Betrag von 118,26 Euro zu; einen Betrag von 120,67 Euro hatte der Bekl. an die Kl. entrichtet. Mit der Klage hat die Kl. den Bekl. – nach Verrechnung diverser gegenseitiger Ansprüche – zunächst auf Zahlung von 718,63 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen, wobei sie die Kosten des Malerfachbetriebs iHv 799,89 Euro zu ihren Gunsten in Ansatz brachte. Der Bekl. hat, ohne Ansatz dieser Kosten, Widerklage auf Zahlung von 929,37 Euro erhoben; in dieser Höhe meint der Bekl. – ebenfalls nach gegenseitigen Verrechnungen – einen Zahlungsanspruch gegen die Kl. zu haben.
Das AG Celle (Urt. v. 1.6.2016 –14 C 1146/14) hat das von ihm zunächst nach Klageantrag erlassene Versäumnisurteil (nach Teilrücknahme) mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass nach einer (einseitigen) Erledigungserklärung der Kl. festgestellt wird, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe; zudem hat es die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung des Bekl. hat das LG Lüneburg (Urt. v. 16.11.2016 –6 S 58/16) – in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – das Versäumnisurteil des AG mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich eines Betrags von 516,79 Euro in der Hauptsache erledigt habe; im Übrigen hat das BerGer. das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat das BerGer., unter deren Abweisung im Übrigen, die Kl. verurteilt, an den Bekl. 166,50 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Die vom BerGer. zugelassene Revision, mit der der Bekl. sowohl sein auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren als auch die widerklagend geltend gemachte Forderung, soweit diese abgewiesen worden ist, weiterverfolgt hat, hatte Erfolg: Die Klage wurde insgesamt abgewiesen; auf die Widerklage wurde die Kl. zur Zahlung weiterer 762,87 Euro nebst Zinsen verurteilt.
Aus den Gründen
12I. Das BerGer. hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
13Der Kl. stehe gegen den Bekl. ein Anspruch aus §§ 280 Absatz I, III, § 281 BGB iHv 799,89 Euro wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen zu. Die Verpflichtung zur Durchführung der erforderlichen Schönheitsreparaturen ergebe sich aus § 4 des von der Kl. verwendeten, vorformulierten Mietvertrags der Parteien. Diese Klausel sei nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters nach § 307 BGB unwirksam.
14Die Übertragung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter weiche vom gesetzlichen Leitbild ab, wonach der Vermieter verpflichtet sei, die Mietsache instand zu halten. Eine davon abweichende formularvertragliche Regelung benachteilige den Mieter, dem vom Vermieter eine unrenovierte Wohnung übergeben worden sei, nach der Rechtsprechung des BGH unangemessen iSv § 307 Absatz I 1, II Nr. Nummer 1 BGB, weil der Mieter in diesem Fall auch zur Beseitigung von Abnutzungsspuren verpflichtet würde, die nicht auf seinem Gebrauch beruhten. Zulässig könne eine Überwälzung der Renovierungspflicht bei einer unrenoviert übergebenen Wohnung nur sein, wenn der Vermieter diesen Nachteil des Mieters durch einen angemessenen Ausgleich kompensiere, der insbesondere bei der Bemessung der Miethöhe berücksichtigt werden könne.
15Die vorstehenden Maßstäbe könnten dem vorliegenden Fall indes nur eingeschränkt zugrunde gelegt werden. Zwar habe der Bekl. für die von ihm zu Mietbeginn durchgeführten Schönheitsreparaturen keinen Ausgleich seitens der Kl. (Vermieterin) erhalten. Dies allein könne jedoch nicht ausschlaggebend sein, denn der Bekl. habe sich hier zur Übernahme von Renovierungsarbeiten aufgrund einer Vereinbarung mit der Vormieterin A bereit erklärt. Zwar führe auch eine solche Vereinbarung dazu, dass der Mieter verpflichtet sei, Abnutzungsspuren seines Vormieters zu beseitigen. Doch sei diese Vereinbarung nicht der Sphäre des Vermieters zuzuordnen, der deshalb auch nicht gehalten sei, dem Mieter einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Interessen des Vermieters seien nicht berührt, wenn sich Mieter und Vormieter untereinander über die Durchführung von Renovierungsarbeiten verständigten.
16Bei einer Renovierungsvereinbarung zwischen dem Mieter und dem Vormieter komme es auch nicht darauf an, ob der Mieter von dem Vormieter einen angemessenen Ausgleich für die Übernahme von Renovierungsarbeiten erhalte. Denn der Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Mieter und dem Vormieter über die Übernahme von zu Mietbeginn erforderlichen Renovierungsarbeiten, von der der Vermieter regelmäßig keine Kenntnis habe und die er auch inhaltlich nicht werde beeinflussen können, schlage nicht auf das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter durch und habe deshalb keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer formularvertraglich vereinbarten Vornahmeklausel. Eine solche Fernwirkung liefe den Interessen des Vermieters zuwider, der bei Abschluss des Mietvertrags mit dem neuen Mieter in der Lage sein müsse zu beurteilen, ob er diesen durch eine Klausel unangemessen benachteilige.
17Zudem könne es jenseits einer Gegenleistung in Geld andere nachvollziehbare Gründe für den Mieter geben, erforderliche Renovierungsarbeiten für den Vormieter zu übernehmen, etwa private Bekanntschaft oder geschäftliche Beziehungen. Um die Wirksamkeit der von ihm verwendeten Vornahmeklausel sicherzustellen, müsste der Vermieter also versuchen, derartige Vereinbarungen mit dem Vormieter zu unterbinden, um seinem künftigen Mieter die Wohnung in renoviertem Zustand übergeben zu können. Dies aber widerspräche sowohl den Interessen des Mieters als auch denen des Vormieters. Während dieser daran interessiert sein könne, die dem Vermieter geschuldeten Arbeiten nicht selbst durchzuführen, könne jener ein Interesse haben, die Arbeiten anders auszuführen, als der Vormieter sie dem Vermieter schulden würde, etwa Wände in einer anderen Farbe zu streichen. Diesen Interessen entspreche es, den Mieter, der Schönheitsreparaturen zu Beginn des Mietverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung mit dem Vormieter durchführe, so zu behandeln, als sei ihm die Wohnung vom Vermieter in renoviertem Zustand übergeben worden.
18Da die demnach gem. § 4 MV geschuldeten Arbeiten vom Bekl. nicht fachgerecht durchgeführt worden seien und die abgerechneten 799,89 Euro auch erforderlich gewesen seien, um die Arbeiten ordnungsgemäß durchzuführen, sei dieser Betrag zugunsten des Vermieters bei der Endabrechnung zu berücksichtigen. Dies wiederum führe zu den ausgeurteilten wechselseitigen Zahlungsverpflichtungen.
19II. Diese Beurteilung des BerGer. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kl. steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Schönheitsreparaturen nicht zu. Denn die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen ist nicht wirksam auf den Bekl. abgewälzt worden.
201. Im Ansatzpunkt zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats geht das BerGer. allerdings davon aus, dass die formularvertragliche Überwälzung der nach der gesetzlichen Regelung (§ 535 Absatz I 2 BGB) den Vermieter treffenden Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen im Fall einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung der Inhaltskontrolle am Maßstab des § BGB § 307 Absatz I 1, II Nr. 1 BGB nicht standhält, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt, der ihn so stellt, als habe der Vermieter ihm eine renovierte Wohnung überlassen. Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt – jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste, als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.
212. Rechtsfehlerhaft hat das BerGer. jedoch angenommen, dass diese Grundsätze hier deshalb nicht anzuwenden seien, weil sich der Bekl. gegenüber der Vormieterin zur Vornahme von Renovierungsarbeiten verpflichtet hat.
22Das BerGer. verkennt insoweit, dass die in einem Schuldverhältnis gewährten Rechte ebenso wie die dort übernommenen Pflichten – von Ausnahmen wie zum Beispiel §§ 328, § 566 BGB abgesehen – grundsätzlich relativ sind, das heißt sie sind in ihren Wirkungen auf die an dem jeweiligen Schuldverhältnis beteiligten Parteien beschränkt. Deshalb kann das Bestehen einer Renovierungsvereinbarung des Vormieters mit dem neuen Mieter grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der in dem Mietvertrag zwischen Vermieter und neuem Mieter enthaltenen Verpflichtungen – hier der Vornahmeklausel – haben, insbesondere dergestalt, dass der Vermieter so gestellt werden könnte, als hätte er dem neuen Mieter eine renovierte Wohnung übergeben.
23Wie bereits ausgeführt, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters durch die formularmäßige Abwälzung der nach der gesetzlichen Regelung dem Vermieter obliegenden Schönheitsreparaturen grundsätzlich dann vor, wenn der Mieter – dem Vermieter gegenüber – verpflichtet wird, gegebenenfalls auch Gebrauchsspuren eines Vormieters zu beseitigen. So verhält es sich aber, wenn der Vermieter dem Mieter – wie hier die Kl. dem Bekl. – eine nicht renovierte Wohnung übergibt und ihn gleichzeitig durch Formularklausel zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen verpflichtet, ohne ihm dafür einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Etwaige Verpflichtungen, die der neue Mieter – hier der Bekl. – gegenüber dem Vormieter – hier gegenüber der in erster Instanz vernommenen Zeugin A – übernommen hat, vermögen an der Unwirksamkeit der im neuen Mietverhältnis enthaltenen Vornahmeklausel somit nichts zu ändern.
243. Die vom BerGer. zur Begründung seiner Auffassung angestellte Überlegung, die Interessen von neuem Mieter, Vormieter und Vermieter würden es gebieten, den neuen Mieter wegen der nur zwischen ihm und dem Vormieter getroffenen Vereinbarung so zu behandeln, als habe ihm der Vermieter eine renovierte Wohnung zur Verfügung gestellt, teilt der Senat nicht.
25a) Es ist schon nicht erkennbar, dass die Interessen aller genannten Beteiligten in derartigen Fällen, wie es das BerGer. offenbar meint, in die gleiche Richtung gehen. Das BerGer. führt an, der neue Mieter könne das Interesse haben, die Wohnung in anderen Farben zu streichen als vom Vormieter dem Vermieter gegenüber geschuldet. Selbst wenn sich dies im Einzelfall so verhielte, ist nicht ersichtlich, dass dieses Interesse es rechtfertigen könnte, die nach dem Gesetz den Vermieter treffende Renovierungsverpflichtung formularmäßig auf den Mieter abzuwälzen.
26b) Auch das vom BerGer. genannte Interesse des Vermieters, bei Abschluss eines neuen Mietverhältnisses in der Lage zu sein, verlässlich beurteilen zu können, ob die von ihm verwendete Vornahmeklausel wirksam ist, verlangt es nicht, dem Vermieter eine Vereinbarung zugute kommen zu lassen, die der neue Mieter mit dem Vormieter geschlossen hat. Denn die Beurteilung der rechtlichen Wirksamkeit einer von ihm gestellten Vornahmeklausel ist dem Vermieter unabhängig von der Existenz etwaiger zweiseitiger Renovierungsvereinbarungen zwischen altem und neuem Mieter verlässlich möglich.
27aa) Am Ende eines Mietverhältnisses obliegt dem Vermieter mit Blick auf das auslaufende Vertragsverhältnis mit dem bisherigen Mieter im eigenen Interesse die Prüfung, ob er gegen diesen einen Anspruch auf Vornahme von Schönheitsreparaturen hat. Ist dies der Fall, kann er diesen Anspruch, der durch eine etwaige zweiseitige Renovierungsvereinbarung zwischen neuem Mieter und Vormieter nicht untergeht, geltend machen und so ohne Weiteres sicherstellen, dass er dem neuen Mieter eine renovierte Wohnung übergeben kann mit der Folge, dass die Wirksamkeit einer im neuen Mietverhältnis vereinbarten Vornahmeklausel jedenfalls aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht infrage steht.
28bb) Besteht ein Anspruch auf Durchführung von Schönheitsreparaturen gegen den bisherigen Mieter hingegen nicht, obliegt es ohnehin dem Vermieter, mit Blick auf den Bestand einer Vornahmeklausel im neuen Mietverhältnis entweder die ihm notwendig erscheinenden Maßnahmen selbst durchzuführen, um dem neuen Mieter eine renovierte Wohnung übergeben zu können, oder dem neuen Mieter einen angemessenen Ausgleich für die Übergabe einer nicht renovierten Wohnung zu gewähren.
29cc) Entscheidet sich der Vermieter hingegen dafür, dem neuen Mieter weder eine renovierte Wohnung noch einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, besteht auch kein Grund, ihn als Verwender einer formularmäßigen Vornahmeklausel allein deshalb besser zu stellen, weil der neue Mieter Verpflichtungen gegenüber dem Vormieter eingegangen ist, an denen der Vermieter nicht beteiligt ist und die ihm gegenüber keine rechtliche Wirkung entfalten.
30dd) Haben der scheidende Mieter und der neue Mieter ein wie auch immer geartetes Interesse daran, eine Regelung zur schuldbefreienden Übernahme einer im alten Mietverhältnis gegenüber dem Vermieter wirksam bestehenden Renovierungsverpflichtung zu treffen, wird dies nach § 415 BGB Absatz I, II BGB nicht ohne die Beteiligung des Vermieters erfolgen können. Mit Blick auf die Wirksamkeit einer im neuen Mietverhältnis formularmäßig vereinbarten Vornahmeklausel obliegt es dabei dem der Schuldübernahme zustimmenden Vermieter im eigenen Interesse, in geeigneter Weise sicherzustellen, dass ein im Vertragsverhältnis Altmieter/Neumieter eventuell gewährter finanzieller Vorteil zum einen als angemessene Kompensation für die Übernahme der Renovierungsverpflichtung angesehen werden kann und zum anderen in der gebotenen Gesamtschau jedenfalls wirtschaftlich so zu bewerten ist, als hätte ihn der Vermieter als Ausgleich für die von ihm unrenoviert übergebene Wohnung selbst gewährt.
31III. Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit dort zum Nachteil des Bekl. erkannt worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben. Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf. Dies führt zur Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt sowie auf die Widerklage zur Verurteilung der Kl. zur Zahlung weiterer 762,87 Euro nebst Zinsen. Denn das Rechenwerk stellt sich nach den – in der Höhe unstreitigen – wechselseitig in den Prozess eingeführten Zahlen wie folgt dar.
32Dem Bekl. stehen neben dem Genossenschaftsguthaben iHv 1200 Euro die Dividende für das Jahr 2013 iHv 35,34 Euro sowie die Guthaben aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014 iHv 245,35 Euro (2013) und 48,87 Euro (2014) zu; dies ergibt eine Summe von 1529,56 Euro. Darüber hinaus hat der Bekl. an die Kl. einen Betrag iHv 120,67 Euro gezahlt. Aus all dem errechnet sich ein zugunsten des Bekl. zu berücksichtigender Gesamtbetrag iHv 1650,23 Euro.
33Demgegenüber steht zugunsten der Kl. ein Schadensersatzanspruch wegen eines schuldhaft vom Bekl. beschädigten Waschbeckens iHv 118,26 Euro sowie eine Zahlung von 600,92 Euro, die die Kl. bereits auf das Genossenschaftsguthaben iHv 1200 Euro an den Bekl. geleistet hat, insgesamt mithin 719,18 Euro.
34Dies ergibt in der Gesamtsaldierung einen Zahlungsanspruch des Bekl. gegen die Kl. iHv 931,05 Euro. Daraus folgt, dass die iHv 929,37 Euro erhobene und weiterverfolgte Widerklage in vollem Umfang begründet ist und die Kl. nunmehr, über die vom BerGer. zugesprochenen 166,50 Euro hinaus, zur Zahlung weiterer 762,87 Euro nebst den beantragten Zinsen hieraus, zu verurteilen ist.
Anmerkung
Führt die BGH-Entscheidung – wie es einige Medien am Tag der Urteilsverkündung proklamiert haben (s. dazu Herrlein, NJW 2018, Seite 2840 unter I 1) – tatsächlich zu einer Stärkung der Mieterrechte? Nach dem auch den tatsächlichen Streitstoff nicht umfänglich auslotenden Urteil erscheint dies zweifelhaft. Grundlegende (Rechts-)Fragen im Zusammenhang mit der formularvertraglichen Übertragung der laufenden Schönheitsreparaturen sind offen geblieben, wodurch Mieter letztlich weiterhin, um Streit mit dem Vermieter zu vermeiden, Renovierungen – entgegen dem in § 535 Absatz I 2 BGB vorgesehenen Pflichtenprogramm – selbst vornehmen werden (müssen).
Die Entscheidung knüpft an das Urteil des BGH aus dem Jahr 2015 (NJW 2015 Seite 1594) an, mit welchem er die formularvertragliche Abwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen durch den Vermieter auf den Mieter wegen unangemessener Benachteiligung für unwirksam erklärt hat, sofern dem Mieter die Wohnung – nach einem „lebensnahen Gesamteindruck“ – in renovierungsbedürftigem Zustand übergeben und ihm kein angemessener (nicht notwendig finanzieller) Ausgleich für die Beseitigung vorvertraglicher „Gebrauchsspuren“ – abgesehen von solchen, die „nicht ins Gewicht fallen“ (lebensnah betrachtet) – gewährt wird (mit dem Beispiel von Fingernagellack-Spuren um Lichtschalter herum, von vielen Besichtigungsterminen stammend, bereits Kappus, NZM-info Heft 10/2015, V). Die seitdem im Raum stehende Frage nach den rechtlichen Auswirkungen von „freiwillig“ getroffenen Vereinbarungen zwischen Alt- und Neumieter bezüglich der Übernahme der Renovierungsarbeiten durch den Neumieter auf die formularvertragliche Übertragung der Schönheitsreparaturlast im neuen Mietverhältnis ist nur teilweise geklärt worden (ausf. Graf v. Westphalen, WuM 2017, Seite 677). Der BGH konstatiert, dass die zwischen Alt- und Neumieter getroffene Renovierungsübernahme aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse bei der Beurteilung der AGB-rechtlichen Zulässigkeit der Abwälzung der Schönheitsreparaturpflicht vom Vermieter auf den Neumieter außer Betracht zu bleiben hat – jedenfalls solange der Vermieter nicht in die „Nachfolgevereinbarung“ einbezogen wird.
Warum der BGH vorliegend jedoch überhaupt von einer allein zweiseitig wirkenden Vereinbarung zwischen Alt- und Neumieter ausgeht, erschließt sich nicht. Noch im Tatbestand des Urteils beschreibt er, wie Vermieter und Neumieter im dem Mietvertragsabschluss nachfolgenden Übergabeprotokoll, und zwar nach der zwischen Alt- und Neumieter getroffenen Nachfolgevereinbarung, festgehalten haben, dass Letzterer die Renovierungsarbeiten und den Teppichboden von der Vormieterin übernimmt. In der Urteilsbegründung wird diese Angabe – entgegen den Regeln des Urteilsstils – indes nicht weiter aufgegriffen. Dabei könnte es sich bei dem Übergabeprotokoll neben einer Genehmigung einer zwischen Alt- und Neumieter vereinbarten Schuldübernahme gem. § 415 Absatz I BGB auch um eine Schuldübernahme mit der Vermieterin nach 414 BGB handeln. Durch Ersteres würde der Vermieter Teil der Nachfolgevereinbarung werden, andernfalls würde es sich allein um eine Vereinbarung zwischen Vermieter und Neumieter handeln (zu den Auswirkungen bereits Graf v. Westphalen, WuM 2017, Seite 677).
Deswegen bleibt auch die interessante Frage ungeklärt, wie die nach dem aktuellen BGH-Urteil anzunehmende unangemessene Benachteiligung des Neumieters durch die Schönheitsreparaturklausel im neuen Mietvertrag dogmatisch zu begründen ist, sofern die Wohnung vom Vermieter zwar unrenoviert übergeben wurde, der Altmieter aber einen angemessenen Betrag zur Beseitigung der Gebrauchsspuren gezahlt oder Einrichtungsgegenstände günstiger überlassen hat – vorliegend möglicherweise den vom Nachmieter ebenfalls übernommenen Teppichboden, was die klagende Vermieterin vor dem LG Lüneburg dahin wendete, der beklagte Neumieter habe sich „eine günstige Gelegenheit“ zur Übernahme bestimmter Einrichtungsgegenstände und des deutlich werthaltigeren Teppichbodens als die vereinbarten 50 Euro (!) „erkauft“. Es stellt sich die Frage, warum es für die – objektiv-normative – AGB-rechtliche Beurteilung der Schönheitsreparaturklausel einen Unterschied machen soll, von wem der Mieter den Ausgleich erhält. Zur Begründung ließe sich nur auf die gleichbleibende Eigensucht des Vermieters als Verwender abstellen, sofern er nicht in irgendeiner Weise selbst zu einem angemessenen Ausgleich beiträgt. Wollte man auf ein geringeres Interesse des Mieters am Erhalt des gesetzlichen Pflichtenprogramms aus § 535 Absatz I 2 BGB abstellen, müsste selbiges wohl auch für den Fall gelten, dass der Ausgleich vom Altmieter – als „Preisnachlass“ – gewährt wird.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Mieter sich zur Übernahme von Einrichtungsgegenständen nebst fälligen Schönheitsreparaturen (von jedenfalls hierzu lustlosen Vormietern) genötigt sehen, um eine Chance auf den Erhalt der Wohnung zu haben. Das BGH-Urteil mag immerhin entsprechende Praktiken eindämmen: Um sich auf der sicheren Seite zu wissen, müssen Vermieter die Wohnung beim Mieterwechsel nun selbst oder (wahrscheinlicher, aber nur „bei Bedarf“) vom Altmieter renovieren lassen.