BGH, Urteil v. 14. Dezember 2016, VIII ZR 49/16
Bundesgerichtshof: Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 49/16
BGB § 280 Abs. 1 , § 241 Abs. 2 , § 535 , § 538
BtMG §§ 29 , 29a
Ein Mieter überschreitet die Grenze vertragsgemäßen Gebrauchs und verstößt gegen seine mietvertragliche Obhutspflicht ( §§ 535 , 538 , 241 Abs. 2 BGB ), wenn er in der angemieteten Wohnung illegale Betäubungsmittel aufbewahrt.b) Zur Frage der Schadensursächlichkeit mietvertraglicher Obhutspflichtverletzungen.
Die Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier:
Drogenbesitz als Pflichtverletzung des Mieters gegenüber dem Vermieter?
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Tenor:
Die vom Streithelfer der Klägerin geführte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth – 7. Zivilkammer – vom 2. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Der Streithelfer der Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin als Vermieterin nimmt den Beklagten als ihren ehemaligen Mieter auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.570,92 € für die bei einem Polizeieinsatz am 27. Juni 2013 beschädigte Wohnungseingangstür in Anspruch.
Gegen den Beklagten lagen sowohl ein Haftbefehl als auch ein Durchsuchungsbeschluss für die streitgegenständliche Wohnung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ( § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ) im Tatzeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Oktober 2012 vor.
Bei der Durchsuchung der Wohnung wurden 26,32 g Marihuana aufgefunden und sichergestellt. Insoweit verurteilte die Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth den Beklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln ( § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ) durch rechtskräftiges Urteil zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten. Vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, der – so die Strafkammer – allein auf den Angaben eines von dieser als unglaubwürdig erachteten Zeugen beruht hatte, wurde er hingegen freigesprochen.
Beim Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses wurde die Wohnungseingangstür von den Polizeikräften aufgebrochen und beschädigt. Der Klägerin sind Kosten in Höhe von 1.570,92 € für die Reparatur der Tür entstanden.
Soweit für das vorliegende Revisionsverfahren noch von Interesse, hat das Amtsgericht die auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen – ausschließlich vom Bundesland als Träger der Polizei im Wege der Streithilfe eingelegte – Berufung ist vom Landgericht zurückgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Streithelfer der Klägerin das Schadensersatzbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin als Eigentümerin und Vermieterin stehe gegenüber dem beklagten Mieter kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Wohnungseingangstür durch den Polizeieinsatz zu, weil ein Zurechnungszusammenhang zu einer Pflichtverletzung des Beklagten aus dem Mietverhältnis nicht gegeben sei.
Zwar stelle die Begehung von Straftaten in der Mietwohnung grundsätzlich eine Verletzung der Pflichten des Mieters aus dem Mietverhältnis dar. Aber auch wenn eine solche Pflichtverletzung durch den Beklagten unterstellt werde und der Polizeieinsatz hierdurch herausgefordert worden sein sollte, sei der Schaden nicht durch die Eigenart der Benutzung der Mietsache, sondern durch die Eigenart des Polizeieinsatzes geprägt gewesen.
Auch die Rechtsprechung zur Schaffung einer gesteigerten Gefahrenlage führe hier nicht zur Bejahung eines Zurechnungszusammenhangs. Denn es existiere kein Erfahrungssatz dahingehend, dass die Begehung von Betäubungsmitteldelikten in einer Wohnung zu einer Durchsuchung und dabei gewaltsamer Öffnung der Wohnungstür führen könne, so dass die Rechtsgutverletzung bei wertender Betrachtung nur noch in einem „äußerlichen“ gleichsam „zufälligen“ Zusammenhang zu der durch den Beklagten geschaffenen Gefahrenlage stehe.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung – wenn auch nur im Ergebnis – stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Der Beklagte hat durch die Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erworbenen Betäubungsmittel in der Wohnung zwar gegen seine vertraglichen Obhutspflichten als Mieter verstoßen ( §§ 535 , 241 Abs. 2 BGB ). Er ist der Klägerin jedoch nicht zum Ersatz der im Rahmen der Durchsuchung entstandenen Schäden an der Wohnungstür verpflichtet ( § 280 Abs. 1 BGB ), da diese Straftat nicht Anlass und Ursache der Ermittlungsmaßnahme war, sondern vielmehr von den Beamten des Streithelfers erstmals bei deren Vollzug festgestellt wurde. Damit ist die Pflichtverletzung des Beklagten bereits nicht äquivalent kausal für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden geworden.
Der Beklagte hat mit der Aufbewahrung von Betäubungsmitteln in den von ihm angemieteten Wohnräumen die Grenzen vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten und seine mietvertragliche Obhutspflicht verletzt, hierdurch jedoch den bei der Klägerin eingetretenen Schaden nicht verursacht.
Ebenso wie den Vermieter verpflichtet das Mietverhältnis ( § 535 BGB ) seinem Inhalt nach auch den Mieter zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seines Vertragspartners ( § 241 Abs. 2 BGB ). Aufgrund dieser Obhutspflicht hat ein Mieter die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer – von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch ( § 538 BGB ) nicht umfassten – Verschlechterung oder einem Schaden an dieser führen kann (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 1989 – VIII ZR 91/88 , BGHZ 108, 1, 8 ; vom 5. Oktober 1994 – XII ZR 15/93 , NJW-RR 1995, 123 unter II 2 a; vom 6. November 2013 – VIII ZR 416/12 , NJW 2014, 143 Rn. 17 f.; KG, KGR 2008, 529; Kraemer in Festschrift für Blank, 2006, S. 281; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 535 Rn. 94; jeweils mwN). Gegen diese besondere Schutzpflicht, die nicht zuletzt Konsequenz des auf den Mieter übertragenen Besitzes an der Mietsache ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 1989 – VIII ZR 91/88 , aaO S. 9), kann ein Mieter jedoch nicht nur im unmittelbaren Umgang mit dieser verstoßen, sondern auch durch einen Gebrauch, welcher schädigende Einwirkungen Dritter hervorzurufen geeignet ist.
Mit der Aufbewahrung von 26,32 g Marihuana in der von ihm angemieteten Wohnung hat der Beklagte diese Obhutspflicht verletzt. Denn entgegen der – von der Revision mit Recht angegriffenen – Auffassung des Berufungsgerichts muss nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Mieter, der in seiner Wohnung Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begeht oder seine Wohnung zur Aufbewahrung von Tatmitteln aus derartigen Straftaten nutzt oder hierfür zur Verfügung stellt, ohne weiteres damit rechnen, dass es im Zuge aufgrund dessen durchgeführter strafprozessualer Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung kommt. Mit einem derartigen Verhalten überschreitet der Mieter den ihm aufgrund seiner Mietzahlung zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 – III ZR 253/12 , BGHZ 197, 43 Rn. 12 ).
Trotz dieser von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung ist der Beklagte der Klägerin nicht nach § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des ihr aufgrund der Beschädigung der Eingangstür entstandenen Schadens verpflichtet, weil die Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Tatbestand (der Obhutspflichtverletzung) und dem in Frage stehenden Schaden an der Wohnungseingangstür nicht gegeben ist. Es fehlt insoweit bereits an der äquivalenten Kausalität, so dass es auf die vom Berufungsgericht erörterten weitergehenden Fragen zum Zurechnungszusammenhang nicht ankommt.
Das Grunderfordernis jeder Schadenszurechnung – sowohl im Rahmen der vertraglichen als auch der deliktischen Haftung – bildet die Verursachung des Schadens im logisch-naturwissenschaftlichen Sinn. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (allgemeine Meinung; vgl. nur BGH, Urteile vom 5. Mai 2011 – IX ZR 144/10 , BGHZ 189, 299 Rn. 35 ; vom 4. Juli 1994 – II ZR 126/93 , NJW 1995, 126 unter II 2 a; jeweils mwN; MünchKommBGB/Oetker, 7. Aufl., § 249 Rn. 103; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 249 Rn. 8). Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen ( BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – IX ZR 144/10 , aaO).
Zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten – Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz erworbenen 26,32 g Marihuana in der Wohnung – und der Beschädigung der Eingangstür besteht ein derartiger Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non nicht. Zwar ist der Beklagte aufgrund der im Rahmen der Durchsuchung bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittel nachfolgend wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verurteilt worden. Diese erst anlässlich der Durchsuchung festgestellte Straftat war jedoch nicht Grundlage der am 27. Juni 2013 durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen. Denn der an diesem Tag durch die Polizeibeamten des Streithelfers vollzogene Durchsuchungsbeschluss hatte zwar ebenfalls dem Beklagten vorgeworfene Betäubungsmitteldelikte zum Gegenstand, jedoch ging es hierbei um Tatvorwürfe des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ( § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ) aus dem bereits länger zurückliegenden Tatzeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Oktober 2012. Dass es sich bei den am 27. Juni 2013 aufgefundenen Betäubungsmitteln aber um Tatmittel aus diesen dem Beklagten vorgeworfenen Taten handelt, kann – jedenfalls mangels anderslautender Feststellungen des Berufungsgerichts – nicht angenommen werden.
Vielmehr kann die Aufbewahrung der 26,32 g Marihuana in der Wohnung durch den Beklagten hinweggedacht werden, ohne dass der beim Kläger durch die Beschädigung der Eingangstür eingetretene Schaden entfiele. Denn die Ermittlungsmaßnahmen wären in gleicher Weise durchgeführt worden, wenn der Beklagte diese Betäubungsmittel nicht erworben und in der Wohnung aufbewahrt hätte.
Entgegen der Behauptung der Revision ergeben sich auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte durch eigenes Verhalten die Aufnahme von Strafverfolgungsmaßnahmen wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und den in diesem Rahmen erlassenen Durchsuchungsbeschluss herbeigeführt haben könnte.
Die Revision ist der Auffassung, der durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts mit dem Erlass des Durchsuchungsbeschlusses bejahte Tatverdacht ( § 102 StPO ) sei hinreichend, um anzunehmen, dass der Beklagte die Aufnahme von Strafverfolgungsmaßnahmen verursacht habe – zumal diesbezüglich auch ein Haftbefehl vorgelegen habe, welcher nach § 114 Abs. 2 Nr. 4 StPO sogar einen dringenden Tatverdacht voraussetze. Dabei verkennt die Revision bereits, dass der für diese strafrechtichen Maßnahmen notwendige Tatverdacht keinesfalls zwangsläufig auf einem (vorwerfbaren) vorangegangenen Verhalten des Beschuldigten beruhen muss, sondern ohne weiteres auch ohne dessen Zutun – so wie vorliegend aufgrund der Angaben eines Dritten – begründet werden kann.
Vor allem aber vermag die Bejahung eines Tatverdachts im Rahmen eines Durchsuchungsbeschlusses für ein Zivilverfahren keine Bindungswirkung zu entfalten (zur fehlenden Bindungswirkung eines Strafurteils etwa BGH, Urteil vom 11. März 2015 – IV ZR 400/14 , BGHZ 204, 258 Rn. 12 ). Denn der Zivilrichter entscheidet das bei ihm anhängige Verfahren nach freier Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung ( § 286 ZPO ). Insoweit hat das Berufungsgericht aber keinerlei Feststellungen getroffen, aus denen sich eine (Mit-)Ursächlichkeit des Beklagtenverhaltens für die gegen ihn geführten Ermittlungsmaßnahmen ergeben könnte. Entsprechende Feststellungen waren auch nicht veranlasst, da die Klägerin und der Streithelfer hierzu – möglicherweise mit Blick auf die Ausführungen der Strafkammer, wonach der Tatvorwurf des Handeltreibens allein auf den Angaben eines unglaubwürdigen Zeugen beruht habe – keinen Vortrag gehalten haben. Die Revision zeigt insoweit übergangenen Sachvortrag nicht auf; der von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochene Gesichtspunkt einer etwaigen sekundären Darlegungslast des Beklagten als Mieter rechtfertigt vor diesem Hintergrund keine andere Beurteilung.
Soweit die Revision schließlich versucht, die vollzogenen Durchsuchungsmaßnahmen auf das festgestellte Verhalten des Beklagten – Erwerb und Besitz der 26,32 g Marihuana – zurückzuführen, und hierzu ausführt, die Verurteilung der Strafkammer sei zwar hinter dem ursprünglichen Tatvorwurf „zurückgeblieben“, jedoch seien nach der Lebenserfahrung bei Betäubungsmitteln Eigenkonsum, Erwerb und Handel miteinander verbunden, verstellt sie sich den Blick darauf, dass es sich insoweit bereits strafrechtlich um unterschiedliche Taten handelt und der Beklagte insbesondere von sämtlichen Tatvorwürfen, auf denen der Durchsuchungsbeschluss beruhte, freigesprochen wurde. Insoweit ist auch der Verweis der Revision auf die Behandlung von überschießenden Strafverfolgungsmaßnahmen nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz (StrEG) von vornherein unbehelflich.
Dementsprechend kommt auch eine Haftung des Beklagten nach § 823 BGB – auf welche die Revision ausschließlich abstellt – mangels Kausalität von vornherein nicht in Betracht.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Kosziol
Von Rechts wegen
Vorschriften§§ 535, 241 Abs. 2 BGB, § 280 Abs. 1 BGB, § 535 BGB, § 241 Abs. 2 BGB, § 538 BGB, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 102 StPO, § 114 Abs. 2 Nr. 4 StPO, § 286 ZPO, § 823 BGB