- 1. Die häufigsten Pflichtverletzungen von Anwälten
- 2. Pflichten eines Rechtsanwalts
- 3. Voraussetzungen der Anwaltshaftung
- 4. Was sollten Sie tun?
Was ist «Anwaltshaftung»?
Anwälte sind auch Menschen und Menschen machen Fehler.
Hat Ihr Anwalt einen Fehler gemacht und ist Ihnen dadurch ein Schaden entstanden? Dann stehen Ihnen möglicherweise Schadensersatzansprüche zu. Ihr Anwalt haftet in diesem Fall für den entstandenen Schaden. Ein seriös arbeitender Rechtsanwalt wird für verursachte Schäden einstehen. Für diesen Fall unterhält er auch eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung.
1. Die häufigsten Pflichtverletzungen von Anwälten
Da das Berufsfeld der Anwälte sehr vielfältig ist, kommen je nach Mandat unterschiedliche Pflichtverletzungen in Betracht.
Viele unserer Mandanten werfen ihrem Rechtsanwalt Folgendes vor:
- Fristversäumnis: Mein Rechtsanwalt hat Fristen versäumt und dadurch ist mir ein Nachteil enstanden.
- Prozess verloren: Mein Anwalt hat in einem Gerichtsverfahren Fehler gemacht und deshalb habe ich den Prozess verloren. Mein Rechtsanwalt hat mir unnötigerweise zu einem Prozess oder einem Rechtsmittel geraten, obwohl eigentlich schon vorher klar war, dass ich nicht gewinnen konnte.
- Unvorteilhafter Vergleich: Ein Rechtsanwalt hat mich schlecht beraten oder hat in meinem Namen schlecht verhandelt, wodurch ein für mich unvorteilhafter Vergleich abgeschlossen wurde.
Mir war die Tragweite des Vergleichs oder einzelner Regelungen nicht bewusst. Ich wurde dazu von meinem Anwalt nicht aufgeklärt. - Zu hohe Kosten: Mein Rechtsanwalt fordert von mir zu viel Geld. Die Rechnung ist falsch. Über die Kosten bin ich vor dem Mandat nicht ausreichend oder sogar falsch informiert worden.
2. Pflichten eines Rechtsanwalts
Der Anwalt hat neben allgemeinen Berufspflichten zahlreiche Einzelpflichten, die sich nach dem jeweiligen Mandat richten. Dabei gibt es gewisse Kernpflichten, die vorrangig bei der Mandatsbearbeitung zu beachten sind.
Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten zu beraten und muss ihn umfassend und erschöpfend belehren. Der Anwalt ist zur Sachverhaltsprüfung verpflichtet und muss dem Mandanten die zur Zielerreichung erforderlichen Schritte anraten und dabei den sichersten Weg wählen. Er hat vor voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Geht das nicht, dann muss er den Mandanten über die Risiken aufklären und Zweifel sowie Bedenken mitteilen, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Der prozessführende Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich für seinen Mandanten bestmöglich einzusetzen. Das heißt, er hat dafür zu sorgen, dass alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, die dem Mandanten helfen, rechtzeitig und umfassend berücksichtigt werden.
In kaum einem Betätigungsfeld gibt es so viel Literatur und Rechtsprechung, wie zu den Pflichten des Rechtsanwalts in einem Mandatsverhältnis. Dabei ist vollkommen klar, dass ein Rechtsanwalt nicht „alles“ wissen und auch nicht alles „können“ kann. Selbst wenn ein Anwalt seine Mandatsarbeit einstellen und sich allein der Fortbildung widmen würde, so wäre es noch immer praktisch unmöglich, alle existierenden Texte zu den Pflichten eines Rechtsanwalts und zum Berufsrecht der Rechtsanwälte zu lesen, geschweige denn, diese zu verinnerlichen und danach zu handeln. Dies hat Dreierlei zur Folge:
1. Es ist zur berufsrechtlichen Pflicht aller Rechtsanwälte geworden, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, § 51 BRAO. Die Anwaltszulassung ist ohne eine solche Versicherung von der zuständigen Rechtsanwaltskammer zwingend zu widerrufen, § 14 BRAO.
2. Die Tendenz geht immer stärker dahin, dass sich ein Rechtsanwalt auf bestimmte Tätigkeitsgebiete beschränkt und spezialisiert. Zwar gibt es noch immer die sogenannten „Einzelkämpfer“, die auch gern abwertend als „Feld- und Wiesenanwälte“ betitelt werden. An solch einem Kanzleikonzept ist jedoch überhaupt nichts auszusetzen. Vor allem in ländlichen Gebieten mit geringer Anwaltsdichte ist häufig ein Rechtsanwalt Ansprechpartner für alle Rechtsprobleme. Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass ein Rechtsanwalt, der in allen erdenklichen Rechtsgebieten tätig ist und keine Einschränkung in seinen Tätigkeitsgebieten vorgenommen hat, erhöhten Haftungsrisiken ausgesetzt ist.
3. Das Anwaltshaftungsrecht genießt derzeit einen regelrechten Boom, denn anders als noch vor einigen Jahrzehnten genießen Rechtsanwälte ebenso wie Ärzte in der breiten Bevölkerung keinen „gottgleichen“ und „unfehlbaren“ Status mehr. In seinem bekannten Buch „Halbgötter in Schwarz“ übt der renomierte Strafverteidiger Rolf Bossi berechtigte Kritik an der eigenen Zunft und nicht erst seit diesem lesenswerten Werk hinterfragen die Mandanten berechtigterweise die Tätigkeit des Rechtsanwalts. Insbesondere, wenn der Prozess verloren wurde oder das Mandat sonst nicht zur Zufriedenheit des Mandanten bearbeitet wurde, lassen immer mehr Mandanten die Arbeit des Rechtsanwaltes durch einen anderen Rechtsanwalt auf Fehler überprüfen. Die gestiegenen Fallzahlen der Berufshaftpflichtversicherer zeigen dabei, dass erschreckend viele Fehler in der Mandatsbearbeitung zu verzeichnen sind. Tendenz: weiter steigend. Einige Fehler mögen dabei unschädlich sein; andere aber haben Mandanten schon um deren Existenz gebracht.
Dabei treten gewisse Konstellationen überdurchschnittlich häufig auf und können als Hauptfehlerquellen anwaltlicher Berufsausübung bezeichnet werden. Dazu zählen beispielsweise das Versäumen von Fristen, die Unkenntnis des materiellen Rechts und das Führen aussichtsloser Prozesse.
3. Voraussetzungen der Anwaltshaftung
Wichtig zu wissen ist, dass nicht jeder Fehler eines Anwalts automatisch zu einem Schadensersatzanspruch führt.
Der Regressanspruch gegen einen Anwalt unterliegt mehreren Voraussetzungen:
- Pflichtverletzung des Anwalts: Der Anwalt oder einer seiner Angestellten hat schuldhaft eine der Pflichten des Mandatsvertrags verletzt. Beispiel: „Die Sekretärin des Anwalts versäumt das Notieren einer Frist. Dadurch konnte ein Rechtsmittel nicht rechtzeitig eingelegt werden. Der Prozess ist verloren. Für die Fristversäumnis der Sekretärin haftet der Anwalt.“
- Ursächlichkeit: der Fehler führte zum Schaden: Macht der Anwalt Fehler, ist dies natürlich für den betreffenden Mandanten besonders ärgerlich und wirft ein schlechtes Licht auf den Anwalt. Für einen Regressanspruch sind jedoch nur Fehler maßgeblich, die ursächlich für den eingetretenen Schaden sind. Das heißt, der oder die Fehler des Anwalts müssen tatsächlich auch zu dem Schaden geführt haben. Beispiel: „Der Mandant beauftragt den Anwalt mit der Klageerhebung zur Geltendmachung eines Anspruchs. Nachdem die Klage erhoben wurde, fragt der Mandant den Anwalt nach der Einschätzung des Kostenrisikos. Der Anwalt gibt seinem Mandanten eine Kostenschätzung für den Fall, dass er den Prozess verliert. Der Mandant verliert dann tatsächlich den Prozess. Leider stellt sich die Auskunft des Anwalts als falsch heraus – die Kosten fallen höher aus. Nun möchte der Mandant die Kosten vom Anwalt ersetzt haben. Die falsche Kosteneinschätzung stellt eine Pflichtverletzung aus dem Mandatsvertrag dar. Diese Pflichtverletzung ist aber für den Verlust des Prozesses und die höheren Kosten nicht ursächlich, denn die Klage war zum Zeitpunkt der Kosteneinschätzung bereits erhoben und damit das Kostenrisiko bereits entstanden. Auch wenn die Kosten richtig eingeschätzt worden wären, hätte dies am Ausgang des Prozesses und an den Kosten nichts geändert. Die Pflichtverletzung führte also nicht zum Eintreten des Schadens. Der Mandant hat demnach keinen Schadensersatzanspruch gegen seinen Anwalt.“
- Es liegt ein Schaden vor: Weitere Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist, dass tatsächlich auch ein Schaden entstanden ist. Es muss dafür geprüft werden, wie die Situation des Mandanten ohne die Pflichtverletzung des Anwaltes wäre. Es gibt viele denkbare Schadenskonstellationen. Ganz grundsätzlich können die eigenen Kosten des Rechtsanwalts oder aber die geltend zu machende Forderung als Schaden angesehen werden. Beispiel: „Der Rechtsanwalt soll im Sommer 2014 im Klagewege zu unrecht gezahlte Bearbeitungsgebühren für ein Darlehen von der Bank zurückfordern. Er nimmt hierfür einen Vorschuss von 300,00 €. Die Sekretärin des Anwalts versäumt es, die zum 31.12.2014 eintretende Verjährung als Verjährungsfrist zu notieren. Dadurch versäumt der Anwalt wiederum, rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung Klage zu erheben. Mit der Klage hätte der Mandant aber höchstwahrscheinlich das Gerichtsverfahren gewonnen. Als Schadenspositionen kann der Mandant in diesem Fall neben der geleisteten Vorschusszahlung auch den Wert seines (nun verjährten) Anspruches vom Anwalt ersetzt verlangen. Zusätzlich zu den 300,00 € hat der Anwalt dem Mandanten die Bearbeitungsgebühr einschließlich aufgelaufener Zinsen zu erstatten.“
- Beweisbarkeit: Der Mandant trägt die Beweislast für die Voraussetzungen seines Schadensersatzanspruches. Es ist damit zu rechnen, dass der Anwalt seinen Fehler in einem späteren Regressverfahren abstreitet. Der ehemalige Mandant muss dann dem Anwalt die schuldhafte Pflichtverletzung und kausale Schadensverursachung nachweisen. Probleme bereiten dabei mündliche Ratschläge und Aussagen des Rechtsanwaltes, die unter vier Augen erfolgten. Vor diesem Hintergrund ist es von Vorteil, wenn der Mandant eine Dokumentation der Korrespondenz mit dem Rechtsanwalt (z.B. per Email) nachweisen kann.
4. Was sollten Sie tun?
Laufendes Verfahren: Ihr Rechtsanwalt vertritt Sie noch in laufenden Verhandlungen oder in einem Gerichtsverfahren aber Sie befürchten, dass Sie das Verfahren aufgrund seiner Fehler verlieren werden? In diesem Fall bestehen zwei Möglichkeiten:
- Es kann ratsam sein, das Verfahren vom jetzigen Rechtsanwalt zu Ende führen zu lassen. Geht das Gerichtsverfahren verloren, dokumentieren die gerichtlichen Entscheidungsgründe in der Regel auch die Pflichtverletzungen des Anwalts. Dies könnte in einem späteren Anwaltshaftungsverfahren nutzbar gemacht werden. Sollte das Verfahren dennoch gewonnen werden, ist dem Mandanten kein Schaden entstanden.
- In manchen Konstellationen kann es ratsam sein, dem bisherigen Rechtsanwalt das Mandat zu entziehen und direkt einen Anwaltswechsel durchzuführen. Etwaige Mehrkosten und Schäden, die auf Pflichtverletzungen des früheren Rechtsanwalts beruhen, können im Anschluss im Anwaltshaftungsverfahren gegen den früheren Rechtsanwalt geltend gemacht werden.
Beendetes Mandat: Ist das Mandat bereits beendet, empfiehlt es sich, Schadensersatzansprüche gegen den früheren Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Dabei ist zu beachten, dass auch für solche Schadensersatzansprüche die allgemeinen Regeln der Verjährung gelten. Sind Sie der Meinung, dass Ihnen aus der Mandatsbearbeitung ein Schaden entstanden ist, sollten Sie nicht zu lang zögern.
Wir haben uns auf dieses kleine aber wichtige Tätigkeitsgebiet der Anwaltshaftung spezialisiert und empfehlen, die Arbeit anderer Rechtsanwälte überprüfen zu lassen, wenn Sie damit unzufrieden waren. Erst recht unterstützen wir Sie in einem Regressverfahren, wenn Ihnen aufgrund anwaltlicher Fehler Schäden enstanden sind. Zögern Sie bitte nicht, nehmen Sie mit uns Kontakt auf.