Rechte des Kunden bei Gebrauchtwagenkauf vom nicht fachkompetenten Verkäufer
In Ergänzung der bisherigen Rechtsprechung hatte sich der Bundesgerichtshof jüngst mit Urteil vom 15. April 2015 mit den Käuferrechten bei einem Gebrauchtwagenkauf vom Händler zu befassen. Ein Gebrauchtwagenhändler, der seinem Berufsstand keine Ehre machte, hatte der Kundin einen Wagen verkauft, bei dem bereits am nächsten Tag der Motor versagte und liegen blieb. In dem Kaufvertrag war der Passus „HU neu!“ enthalten. Die Kunden verlangte die Rückabwicklung und Schadensersatz.
Aus dem Urteil des BGH lassen sich folgende Grundsätze ableiten, die für den Kunden wissenswert sind:
1. Zur Untersuchungspflicht des Händlers
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Gebrauchtwagenhändler nicht verpflichtet, das Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Er kann aber zu einer Überprüfung des Fahrzeuges aufgrund besonderer Umstände gehalten sein, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn er den Wagen bereits mit dem Hinweis auf Vorschäden ankauft.
Ansonsten ist der Händler lediglich verpflichtet, eine fachmännische äußere Besichtigung („Sichtprüfung“) vorzunehmen. Stellen sich dabei keine Mängel heraus, muss der Händler nicht intensiver prüfen. Allerdings darf er ohne eingehende Prüfung dem Kunden nicht mitteilen, das Fahrzeug sei mangelfrei. Dies stellt eine Behauptung ins Blaue hinein dar und berechtigt den Kunden in der Regel zur Anfechtung des Vertrages und zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
2. Zur Bedeutung des Passus „HU neu“
Die im Kaufvertrag enthaltene Eintragung „HU neu“ beinhaltet bei interessengerechter Auslegung die stillschweigende Vereinbarung, dass sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten verkehrssicheren Zustand befinde und die Hauptuntersuchung durchgeführt sei.
Im vorliegenden Fall war zwar die Hauptuntersuchung vor Übergabe des Fahrzeuges neu durchgeführt worden und hatte keine Beanstandungen ergeben. Es war jedoch unstrittig so, dass aufgrund diverser Mängel (Durchrostungen der Bremsleitungen, den Längsträgern, den Querlenkern, den Achsträgern und dem Unterboden sowie an sämtlichen Zuleitungen zum Motor) das Fahrzeug tatsächlich nicht im verkehrssicheren Zustand übergeben wurde und damit mangelhaft war. Ob eine Prüfplakette erteilt wurde, ist hierfür unerheblich – dies entlastet den Verkäufer nicht.
3. Zum Rücktrittsrecht des Käufers
Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt im Grundsatz vor, dass bei einem Mangel der Kaufsache dem Verkäufer zunächst die Möglichkeit gegeben werden muss, den Mangel zu beheben. In Ausnahmefällen kann der Käufer jedoch sofort vom Vertrag zurücktreten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Käufer eine Nacherfüllung durch den Verkäufer unzumutbar ist.
Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer zumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch die Zuverlässigkeit des Verkäufers zu berücksichtigen. Unzumutbar ist die Nacherfüllung jedenfalls dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist, was hier durch einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz des Verkäufers zu bejahen ist. Dieser hatte nämlich trotz durchgeführter Sichtprüfung die gravierenden Sicherheitsmängel (zumindest fahrlässig) nicht erkannt.
Hieraus folgt für die Kundin des betreffenden Falles, dass sie dem Verkäufer nicht erst die Möglichkeit für eine Reparatur des Fahrzeuges einräumen musste, sondern sofort vom Vertrag zurücktreten konnte.